Sonnek

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Das Gerichtsverfahren läuft schon einige Zeit, seit etwas über zwei Jahren bin ich als Gutachter bestellt. Die erste Befundaufnahme erfolgte vor eineinhalb Jahren, vor einem halben Jahr wurde eine ergänzende Befundaufnahme durchgeführt, vor drei Monaten das Gutachten abgegeben. Die nächste Verhandlung findet in etwa zwei Wochen statt. Ein Antrag auf eine  Gutachtenserörterung liegt vor, ist für den kommenden Termin nicht ausdrücklich vorgegeben, wohl aber zu erwarten. Für diese Erörterung sind nun die Vorbereitungen zu treffen. Auch ist es sinnvoll, für eventuelle Vergleichsgespräche gerüstet zu sein.

Der vorhin geschilderte zeitliche Ablauf und die sich daraus ergebende Dauer sind für ein Verfahren auf Landesgerichtsebene durchaus nicht ungewöhnlich. Zu beachten ist, dass – wie halt bei fast jedem Menschen – auch bei Sachverständigen im Zeitverlauf nach intensiven Arbeitsphasen infolge ganz normalen Vergessens bis zum nächsten Gerichtstermin gewisse Informations- und Wissensinhalte verloren gehen. Zudem können sich in der Zwischenzeit auch neue Sachlagen ergeben haben mit Rückwirkungen auf das Verfahren und die Arbeit des Sachverständigen.

Was ist daher zu tun?

Mit den Anträgen auf Gutachtenserörterung liefern die parteienvertretenden Anwälte zumeist auch die Fragen, die sie vom Gutachter im Rahmen der Erörterung des Gutachtens beantwortet haben wollen. Der Sachverständige wird sich mit diesen Fragen sorgfältig auseinandersetzen und Antworten formulieren, schrittweise überarbeiten und verbessern. Ich selbst bereite jede Beantwortung schriftlich vor dergestalt, dass sie als Unterlage in der Verhandlung direkt an Anwälte und Gericht ausgeteilt werden kann. Das kann sich auf den Ablauf sehr beschleunigend auswirken, besonders dann, wenn darin weitere Fragen vorwegnehmend beantwortet werden.

Und wenn keine Antwort möglich ist?

Es ist schon öfter vorgekommen, dass Fragen der Anwälte nicht beantwortet werden können. Das kann mehrere Gründe haben. Beispielsweise kann das Finden der Antwort mit zusätzlichem Aufwand verbunden sein, für die wegen der damit verbundenen Kosten das Gericht erst den Auftrag erteilen müsste. In einem anderen Fall kann eine Antwort aus fachlichen oder organisatorischen Gründen nicht gegeben werden, etwa, weil der ursprüngliche Sachverhalt nicht mehr besteht und daher auch nicht mehr untersucht werden kann. Ganz selten habe ich erlebt, dass Fragen beleidigend, unsachlich gehalten oder persönlich gegen den Sachverständigen gerichtet sind. Hier kann das Gericht einschreiten.

Danach: Gesamtsicht gewinnen

Sollte es nicht ohnehin schon zur Fragebeantwortung notwendig gewesen sein, wird der Sachverständige seinen Befund und das darauf aufbauende Gutachten mitsamt allen Anhängen durchlesen. Dabei wird nicht nur das Gedächtnis aufgefrischt, sondern es können kleiner Fehler entdeckt werden, die auch bei noch so sorgfältigem Lektorat durchgeschlüpft sind. Es empfiehlt sich, solche Fehler zu kennzeichnen für den Fall, dass Parteien später darauf Bezug nehmen – was erfahrungsgemäß aber äußerst selten der Fall ist, allein schon deshalb, weil etwa Rechtsanwälte sich primär um den Inhalt kümmern und nicht um kleinere Fehler, die keine Auswirkung auf Gutachtensergebnisse haben.

Neben dem Was? ist auch das Wie? wichtig!

Eine Gutachtenserörterung fordert vom Sachverständigen nicht nur ein hohes Maß an Selbstsicherheit, sondern der gesamte Ablauf der Präsentation der Antworten will gut überlegt sein und soll das Vertrauen in den Sachverständigen bestärken. Fragen tun sich auf: Was ist dem Richter wichtig, ist eine Abstimmung mit ihm erfolgt? Welche Strategie soll angestrebt werden? Ist ein Vergleichsversuch absehbar, soll man in diese Richtung zielen? – Ein Vorteil: Richter, Parteien und ihre Vertreter kennt man ja und weiß bis zu einem gewissen Grad auch, wie sie in ihren Reaktionen einzuschätzen sind.

Fazit

Wie Richter oder Anwälte führt auch ein Sachverständiger eine Rolle aus, die durchaus nach einer Dramaturgie des persönlichen Auftritts verlangen kann: Je überzeugender sie angelegt ist, desto besser. Wahrscheinlich habe ich schon des Öfteren über eine Erkenntnis geschrieben, aber sie scheint mir wichtig genug, nochmals erwähnt zu werden: Die gut geplante und erfolgreich abgelegte Gutachtenserörterung ist für den Sachverständigen die beste Gelegenheit, bleibenden Eindruck zu schaffen und damit eine gute Visitenkarte für sein Können zu hinterlassen!

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