Sonnek

Befund

Schwierig, schwierig, schwierig. Das war mein erster Gedanke, als ich mit einem Interessenten für die Sachverständigentätigkeit das Titelthema diskutiert habe. Meine engagierten Erklärungsversuche hatten nichts erreicht. Es ist was dran an einem „Fluch des Wissens“, wenn man einsehen muss, dass die inhaltliche Botschaft irgendwie abprallt und wirkungslos verpufft. Also die Herangehensweise ändern. Aber wie? – Die erfahrene Leiterin eines Ausbildungsinstitutes hat mir dazu einmal lakonisch geantwortet, das sei eh ganz einfach, man müsse halt den Gesprächspartner dort abholen, wo er steht …

… oder noch besser auf einem für möglichst viele Menschen verständlichen Niveau. Was bedeutet das für mich? Meine vereinfachend gemeinte Darstellung, im Befund seinen Fakten z. B. in Form von augenscheinlichen Wahrnehmungen zusammengefasst, im Gutachten stünden Beurteilungen dazu, ist schlichtweg zu abstrakt, was heißt, dass ein Neuling damit nichts anfangen kann. Die Alternative? Erscheint auf den ersten Blick einfach: Man nehme als „Erklärhilfen“ etwa Berichte aus den Medien. Ein Beispiel, das mir dazu einfällt: „Der Februar 2024 war viel zu warm!“ Diese Aussage ist eine Schlussfolgerung nach Studium, Vergleich und Auswertung zugehöriger Temperaturaufzeichnungen, sie gehört also in den Gutachtensteil und müsste dort begründet werden.

Zu Befund- oder Gutachtensteil gehörig?

Aber derlei Darstellungen sind auch nicht immer treffend. Denn kniffliger wird ein anderes Beispiel: Die Aussage „Das Temperaturmittel des Monats xy 2024 im Ort yz betrug 5,8°C.“ könnte einerseits als lapidare Mittelwertbildung von entsprechenden Messergebnissen in einem Befund zu verstehen sein; andererseits könnte sie aber auch als Antwort auf die Frage „Wie hoch war das Temperaturmittel im Monat xy 2024 im Ort yz?“ als Ergebnis einer Berechnung in einem Gutachtensteil stehen. Wie man sieht, kommt es in der Zuordnung ein- und derselben Äußerung darauf an, was mit ihr bezweckt werden soll.

Sind achtzig Stundenkilometer zu schnell?

Einige Beispiele aus Meldungen zu Verkehrsunfällen könnten hier ebenfalls als Orientierung dienen. „Das Fahrzeug war mit achtzig Stundenkilometern unterwegs“ wäre typischer Befund, ebenso die Feststellung „An dieser Stelle herrschte eine Geschwindigkeitsbeschränkung von sechzig Stundenkilometern“, auch die Schlussfolgerung „Das Fahrzeug war mit achtzig anstelle der vorgeschriebenen sechzig Stundenkilometer unterwegs und damit schneller als erlaubt“ könnte noch dem Befund zugeordnet werden. Die Äußerung „Das Fahrzeug war eindeutig zu schnell unterwegs“ hingegen gehört in den Gutachtensteil und muss dort begründet werden können. – Na gut, das Gelbe vom Ei ist die Erklärung noch nicht.

Ein anderes Beispiel aus dem Lebensumfeld

Weiterer Versuch: Aus dem persönlichen Umfeld fällt mir dazu ein, dass jemand nach einem Arbeitsunfall im Zuge einer Vernehmung sagen könnte „Ich habe die Nacht davor nur drei Stunden geschlafen. Sonst sind es zumindest acht.“ Beides sind „befundtaugliche“ Mitteilungen des Betroffenen, die sein eigenes Erlebnis wiedergeben. „Der Betroffene war offensichtlich übermüdet und konnte daher nicht rechtzeitig auf die plötzlich auftretende Gefahrensituation reagieren“ wäre daraus die Schlussfolgerung in der gutachterlichen Stellungnahme eines ärztlichen Sachverständigen.

Es geht ums Verständnis

In der Sachverständigentätigkeit sind wir gewohnt, die Bedeutung von Begriffen genau zu definieren, um jeden Zweifel von vornherein auszuschließen. Diese (zu) oft wissenschaftlich aufgeladene Präzision kann im äußersten Fall zum Feind werden einer leicht verständlichen Darstellungsweise genau für den Laien, den wir mit unserer Arbeit erreichen müssen und natürlich auch wollen. Aber genauso sollte es Sachverständigen ein Anliegen sein, ihre Zunft allen bisher in Frage kommenden Außenstehenden und möglichen Kollegen nicht nur attraktiv zu machen, sondern dies auf möglichst einprägsame und wirkungsvolle Art zu tun.

Die Diskussion hier hat auch einen praktischen Zweck

Lieber bisher ausharrender charmanter Leser, geschätzte kluge Leserin, damit wir die Absicht hinter diesen Zeilen nicht vergessen: Es geht hier darum, einem Neuling oder auch einem Laien möglichst rasch und eindringlich erklären zu können, was der Unterschied zwischen Befund und Gutachten ist. Ich schreibe gerade an einem kleinen Buch über die Arbeit von Gutachtern. Deshalb meine Bitte: Lassen Sie mir Ihren Vorschlag einer allgemeinverständlichen Beschreibung des Unterschieds zukommen. Bei Brauchbarkeit würden Sie dafür im Buch selbstverständlich in irgendeiner Form ehrenhaft berücksichtigt werden.

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