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Adler

Das Verfahren, von dem in der Folge die Rede sein wird, geht bereits in sein drittes Jahr. Gegenstand ist eine Mahnklage wegen ausstehender Zahlungen. Ein Installateur hat in einem renovierten Altbau Heizungs- und Sanitäranlagen installiert, der Bauherr hat einen Teil des in Rechnung gestellten Betrags zurückbehalten mit dem Verweis auf zahlreiche seiner Ansicht nach bestehende Mängel. Ein Befund des Sachverständigen darüber liegt vor, ein vom Beklagten beauftragtes Privatgutachten hat danach noch weitere Mängel genannt. Heute ist die ausführliche Vernehmung von wichtigen Zeugen geplant.

Beim Betreten des Gerichtgebäudes trifft der Sachverständige auf den Beklagten, der an der Sicherheitssperre die Kontroll-Prozedur über sich ergehen lassen muss. Der bedauert wortreich, er müsse wegen des Gerichtstermins einen für ihn wichtigen Termin versäumen und klagt, wie sehr er dieses Verfahren als Mühsal empfindet. Am Verhandlungssaal ein Anschlag, wonach die Verhandlung in einem anderen und wie sich herausstellt größeren Saal stattfinden wird. Der Richter – heute in Robe – ist schon da, der Saal voll mit Stühlen, in eineinhalb Stunden würde die Klasse einer berufsbildenden Schule als Zuhörer erwartet.

Vieraugengespräch

Abstimmungsgespräch. Auf die entsprechende Frage antwortet der Richter, er erwarte keine Bereitschaft der Parteien zu einem Vergleich und stellt sich auf langwierige Vernehmungen ein. Der Sachverständige hat den umfangreichen Gerichtsakt genau studiert und sich auf die Verhandlung penibel vorbereitet. Dabei ist er auf ein Schreiben des Beklagten gestoßen, in dem dieser bereits in der Zeit vor dem Verfahren weitgehende Bereitschaft zu einem Kompromiss gezeigt hat. Er spricht den Richter darauf an, erwähnt auch, beide Parteien wünschten sich ein Ende des Verfahrens. Könnte man daran anknüpfen? Der Richter liest das Schreiben durch und nimmt den Ball auf.

Zu viel auf einmal geht nicht

Der Sachverständige sieht und schätzt das Bemühen des Richters, das Verfahren effizient durchzuziehen. In seinen Augen neigen junge Richter – insbesondere die Männer unter ihnen – dazu, möglichst viel Fortschritt auf einmal zu erzielen, also etwa in einer extra langen Verhandlung. Einer dieser Gruppe hat einmal sogar vorgeschlagen, eine Woche lang jeden Tag zu verhandeln, um rasch zu einem Ergebnis zu kommen. Den Anwälten war das Entsetzen über ein derartiges Ansinnen anzusehen. Unter dem Vorhalt „Wir müssen doch auch hin und wieder in unserer Kanzlei anwesend sein“ wurde es unisono abgelehnt.

Das erwartbare Hin und Her

Im konkreten Fall dient der alte Vergleichsvorschlag als Anker für einen Vorstoß des Richters. Abgewogen wird der Wert des Streitgegenstandes im Verhältnis zu den stündlichen Kosten des laufenden Verfahrens, die für Anwälte und Sachverständigen anfallen. Dann beginnt das übliche Tauziehen – um nicht zu sagen „Gefeilsche“ – um den Vergleichsbetrag: Diesen muss einerseits der Beklagte zu zahlen bereit sein und andererseits muss sich der Kläger damit begnügen können. Die Anwälte tun ihr Bestes, ihre Argumente durchzubringen und die des Gegners abzuschwächen, untermalt von echten oder gespielten Anfällen von Empörung über die als Zumutung empfundenen Angebote des jeweiligen Gegners.

Es geht ins Finale

Aus der Sicht des Sachverständigen ist ein typischer Wendepunkt in Richtung eines tatsächlich bevorstehenden Vergleichs gegeben, wenn einer der Anwälte sich kurz unter vier Augen mit dem Mandanten außerhalb des Gerichtssaals beraten will. Die Wartezeit dazwischen vergeht mit lockerem Geplauder der Anwesenden, das jedoch nie den Verhandlungsgegenstand aus dem Auge verliert. Es folgt ein kurzes Wortduell der Anwälte, worauf sich die andere Partei zu Konsultationen nach draußen begibt. Die Diskussion nimmt an Intensität zu, letzte Vorschläge werden geprüft und verworfen, um Details wird gerungen.

Fazit

Schließlich das Ergebnis: Es gibt einen Vergleich! Die Hektik ist plötzlich weg, der Richter protokolliert, an Formulierungen wird gefeilt, allseits wird Erleichterung spürbar. Der Richter erstellt das Protokoll, die Parteien und ihre Vertreter unterfertigen es. Die wartenden Zeugen werden nach Hause entlassen. Die angekündigte Schulklasse trifft fünf Minuten vor Schluss der Verhandlung ein und kann noch die letzten Worte mitverfolgen. Das Studium des Gerichtsakts und der Hinweis des Sachverständigen an den Richter brachten das Verfahren zum unerwarteten, aber allseits geschätzten Ende: Die Verhandlung wurde effizient geführt, statt der geplanten sieben wurden nur eineinhalb Stunden benötigt, aber vor allem war sie effektiv, das Verfahren wurde beendet.

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