Sonnek

Bieten oder Bitten?

22.07.2022
Frage

Geistig-schöpferisch tätige Freiberufler kommen auf verschiedene Weisen zu ihren Aufträgen. Eine davon besteht darin, dass sie von einem möglichen Auftraggeber – je nach Herangehensweise oder Tonfall – aufgefordert, eingeladen oder gebeten werden, ein Angebot über bestimmte Leistungen zu legen. Viele der angesprochenen Dienstleister wenden darauf nicht unbeträchtliche Mühe auf, ein solches Angebot zu erstellen, besonders dann, wenn die gestellte Aufgabe außerhalb der Tagesroutine liegen. Und anstatt als selbstbewusste Bieter aufzutreten, präsentieren sich manche Freiberufler als fast unterwürfige Bittsteller. Das soll nicht sein!

Als sich unlängst im Zuge von Grabarbeiten für die Einleitung von Solarstrom und den Anschluss an das Glasfasernetz die Möglichkeit ergab, das Betriebsgebäude auch an ein Nahwärmenetz anzuschließen, haben wir natürlich auch diese Möglichkeit nicht ungenutzt gelassen. Für die notwendigen Installationsarbeiten einschließlich Errichtung einer Fernwärme-Übergabestation wurde der im Haus schon öfter tätige Installateur um ein Angebot gebeten. Er hat ein detailliertes schriftliches Angebot auch prompt abgegeben, was heutzutage angesichts der Überlastung der Branche keine Selbstverständlichkeit ist.

Überraschend schnelle Ausführung

Gleich darauf im Mai dieses Jahres haben wir den Auftrag erteilt. Bedenken hatte ich allerdings wegen der allgemein beklagten Lieferschwierigkeiten und weil mir Leute aus der Branche von schwer zu bekommenden Umwälzpumpen und Wärmetauschern berichtet hatten. Um nicht zu nahe an den Beginn der Heizperiode heranzukommen, setzten wir den Zeitraum zur Ausführung mit Mitte Juli bis Mitte August fest. Überraschung: Nach genauer Abklärung und schon eine Woche vor dem Wunschtermin starteten die Um- und Einbauarbeiten und waren erfreulicherweise nach einer Woche beendet …

Kunde und Bieter auf Augenhöhe

Warum erzähle ich das alles so ausführlich? Und worin besteht der Zusammenhang mit Angeboten von Freiberuflern? Antwort: Weil wir daraus zwei wichtige Fakten entnehmen können. Das ist zum Ersten die Einsicht, dass im Zuge des Abgleichs von Interessen jedes Geschäft ein Wechselspiel darstellt von Bieten und Bitten. Zweitens: Soll dieses Wechselspiel zu einem guten Ergebnis führen, müssen die beteiligten Partner bereit sein, sich auf Augenhöhe zu begegnen. Nur so kommen gute Geschäfte zustande. Freiberufler müssen auf das Gleichgewicht achten und dürfen sich nie in die Rolle des „underdogs“ drängen lassen.

Angebote ausarbeiten kann viel Mühe kosten

Der interessierte Kunde bittet den Dienstleister um ein Angebot – so gesehen ist der Kunde zuerst einmal der Bittsteller. Der Gefragte – Handwerker oder Freiberufler – kann jetzt zusagen, ablehnen, oder auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten, weil er zurzeit überlastet ist. Jedenfalls wird er als seriöser Geschäftspartner den Kunden nicht ignorieren oder abblitzen lassen. Im Normalfall wird er jetzt viel Mühe, Zeit und Kreativität investieren, um sein Angebot zu erstellen. Wenn er als Bieter sein Angebot dann übergibt, tut er das mit einem ambivalenten Gefühl: Er ist sich sicher, gute Arbeit geleistet zu haben, zugleich ist er ungewiss, ob die Anstrengung auch Sinn gehabt haben würde.

Der Bieter muss zwei Fehler vermeiden

Der Ball läge jetzt wieder beim Kunden, der über eine Annahme entscheiden müsste. Gerade in dieser Phase vor der Abgabe des Angebots machen viele Freiberufler zwei entscheidende Fehler. Zum einen bleiben sie emotional zu sehr am eigenen Angebot hängen, in dem sie ihr Baby sehen, in das sie ihr ganzes Herzblut investiert haben. Anstatt sich innerlich loszulösen und das Kind laufen zu lassen, überlegen sie, was sie alles nur tun könnten, eine Absage zu verhindern. Diese Angst vor möglichem Verlust macht sie verletzlich, in den zu erwartenden Verhandlungsgesprächen knieweich und unnötig nachgiebig.

Präsentation  ist wichtig

Der zweite Fehler besteht darin, dass sie verabsäumen, ihr Angebot auch ausreichend zu präsentieren. Richtig präsentieren kann entweder bedeuten, das Angebot selbst so zu gestalten, dass es voll ist von überzeugenden Darstellungen des Nutzens für den Auftraggeber, die das Angebot fast unwiderstehlich machen. Oder aber kann es darin bestehen, dass tatsächlich eine persönliche Vorstellung mit Erörterung stattfinden kann, was natürlich schon im Vorfeld vereinbart worden sein müsste („Ich lege gerne ein Angebot, aber nur, wenn sie mir die Gelegenheit geben, es ausführlich und persönlich präsentieren zu können“).

Weder Bieten noch Bitten?

Die Königsklasse von Beratern und Gutachtern – zu denen ich mich nicht zähle – macht das allerdings ganz anders. Sie lässt es gar nicht zu einem Bieterwettkampf kommen. Bereits im Vorfeld hat sie vom Vorhaben des Auftraggebers erfahren, ist mit ihm in Verbindung getreten und hat gezielt Zugang zu den wichtigen Entscheidungsträgern gefunden. In guten Gesprächen ist eine Vertrauensbeziehung entstanden, der Kunde ist von der in seinen Augen gegebenen „Alternativlosigkeit“ überzeugt und gerne bereit, die Sache möglichst rasch mit dem neuen Wunschpartner durchzuziehen …

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