Sonnek

Gefahr

Diese Gefahren drohen nicht von irgendwo draußen und sie sind auch kein Grund, Panik zu entfachen. Das besorgen eh täglich, mit wechselnden Themen und bis zum Überdruss die üblichen Angstfabriken wie Medien, Politiker, NGOs und andere Alarmisten. Die leben schließlich von diesem Geschäftsmodell. Nein, hier reden wir ganz frei von Furcht davon, dass wir auf unserem Weg zum vollumfänglich kompetenten Sachverständigen auf zwei gefährliche Hindernisse stoßen können, die unsere besondere Aufmerksamkeit erfordern. Unser Fortkommen würde unnötigerweise erschwert oder gar behindert, wenn wir sie nicht beseitigen.

Im Blog zuvor haben wir den Dunning-Kruger-Effekt besprochen. Wie dieser Effekt hängen auch die beiden Hindernisse, auf die wir hier eingehen werden, mit zwei kritischen Faktoren zusammen: einerseits mit negativer Selbsteinschätzung, also wenig Selbstbewusstsein und fehlendem Selbstvertrauen, andererseits mit dem im Laufe der Tätigkeit als Sachverständiger erworbenen Portefeuille an Kompetenz. In beiden Fällen haben wir es mit Fehleinschätzungen zu tun, die wiederum Fehlverhalten nach sich ziehen. Dieser Ablauf beraubt uns im Endeffekt jener Früchte unserer Arbeit, die uns nach rechtem Ermessen zustehen würden.

Erstens: Das „Hochstapler-Syndrom“: in reiner Form selten existent, …

Das erste der beiden Hindernisse nennt sich Hochstapler-Syndrom. Stark vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um frappante Unterbewertung der eigenen Kompetenz und somit um das spiegelbildliche Gegenteil des Dunning-Kruger-Effekts. Das Hochstapler-Syndrom – im Englischen impostor-syndrome genannt – lässt sich daran erkennen, dass der Betroffene durch ein zu geringes Selbstbewusstsein seine tatsächlichen Fähigkeiten nicht anerkennt oder nicht wahrhaben will. Das hat die Konsequenz, dass der eigenen Leistung ein zu geringer Wert beigemessen wird. Was in der Folge wiederum zu deren Unterhonorierung führen muss.

… in milder Form aber weit verbreitet

Ein Syndrom ist die Summe mehrerer Symptome, also mehrerer Merkmale, die einzeln gesehen unterschiedlich ausgebildet sein können. Aus meiner Sicht ist das Hochstapler-Syndrom in seiner extremen Form unter Sachverständigen – soweit ich das von außen beurteilen kann – nicht existent. Wohl aber gibt es ein Indiz für eine weite Verbreitung des Hochstapler-Syndroms in einer milderen Ausprägung. Dieses Indiz vermeine ich darin zu erkennen, dass sich viele exzellent fähige und mitunter langjährige Sachverständige nicht getrauen, für ihre Leistungen ein angemessen hohes Honorar zu verlangen.

Jedenfalls sollte man raus

Nach meinem Dafürhalten ist das Entkommen aus dem (milden) Hochstapler-Syndrom hin zu einem realen Selbstbild nicht durch irgendwelche psychologischen Tricks herbeimanipulierbar. Vielmehr braucht es einen grundlegenden persönlichen Bewusstseins- und in der Folge Paradigmenwechsel. Ich meine, dass es ausreichender Zeit und vielfach des Rats oder gar der Unterstützung erfahrener Kollegen bedarf, um aus dem Symptom herauszukommen. Sieht man von Schockerlebnissen ab ist in persönlichen Dingen erfahrungsgemäß immer eine ordentliche Portion Ermutigung vonnöten, um irgendwelche eingefahrenen Geleise verlassen zu können.

Zweitens: Der „Zu-Früh-Ruhestand“

Auf das zweite Hindernis, das wir uns hier ansehen, wies der schwedische Psychologe Anders Ericsson hin. Er unterrichtete an der Florida State University und beschäftigte sich ausgiebig mit Spitzenleistungen von Experten aus den unterschiedlichsten Wissensgebieten. Im von ihm herausgegebenen „The Cambridge Handbook of Expertise and Expert Performance“ veröffentlichte er einen Beitrag, in dem er auf die Gefahr eines geistigen „Zu-Früh-Ruhestands“ hinwies. Diesem könnten Experten jeglicher Art dann anheimfallen, wenn sie sich innerlich und schon Jahre vor dem echten Ruhestand aus ihrer Tätigkeit sachte verabschiedeten, obwohl die Kapazität für Spitzenleistungen durchaus vorhanden wäre. Dies sei dann der Fall, wenn sich jemand mit dem Erreichten zufriedengibt und aufhört, weiter zu lernen. Nach dem Motto „Ich weiß eh schon alles. Es gibt zudem kaum noch was interessantes Neues.“

Lebenslang lernen

Man erzähle mir nicht, dass dieses Nicht-Reagieren auf vielleicht nicht interessantes, aber dennoch wichtiges Neues unter Sachverständigen nicht vorkäme. Ein Richter erzählte mir unlängst, dass ein von ihm öfters bestellter Sachverständiger seine Tätigkeit eingestellt habe mit der Erklärung, die Umstellung auf den neuen elektronischen Akt wolle er sich nicht mehr antun. „Der war aber deutlich jünger als Sie“, meinte der Richter noch. – Natürlich sind solche Entscheidungen zu respektieren. Will ich aber im „Geschäft“ bleiben, kann ich keine halben Sachen machen. Solange ich aktiv bin, muss ich mein Fachgebiet und Arbeitsfeld betreffend auf dem Laufenden bleiben. Lernen und Üben darf meines Erachtens sowieso nie aufhören, auch im Ruhestand nicht. Nur dass dann halt die Interessen andere sein mögen …

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