Sonnek

Frage

Sachverständige sind dazu da, einem Rechtsstreit jenen sachlich-fachlichen Verstand beizustellen, mit dessen Klärungshilfe später eben dieser Streit beendet werden soll. Sie sind zu strikter Neutralität und Objektivität verpflichtet und unterstützen das Gericht in der Suche nach der materiellen Wahrheit. Rechtsanwälte hingegen sind dazu da, die Interessen und das Recht ihrer Parteien zu vertreten. Sie unterliegen daher ganz anderen Verpflichtungen und haben Spielräume anderer Art. Das muss man sich vor Augen halten, wenn Sachverständige und Rechtsanwälte miteinander zu tun haben oder gar aneinandergeraten.

Zu den eher verstörenden Erlebnissen eines bei Gericht neu beginnenden und daher noch etwas unsicher agierenden Sachverständigen zählt die rhetorische Auseinandersetzung mit einem Rechtsanwalt, insbesondere natürlich dann, wenn sich das Gutachtensergebnis für seinen Mandanten als nachteilig herausstellt. In der Zeit zuvor war derselbe Rechtsvertreter noch die personifizierte Freundlichkeit und die Hilfsbereitschaft in Person gewesen. Jetzt aber reitet er Attacke um Attacke, äußert unangenehme Behauptungen und stellt Fragen in einer verwinkelten Wortwahl, in der sich die Antworten des Sachverständigen zu verheddern drohen …

Zurückhaltung gefragt

Kein Grund, in Panik zu verfallen, sondern willkommen in der realen Welt des Konflikts! Der Versuch, das nicht genehme Gutachten zu „zerlegen“ und dazu gleich noch den Sachverständigen als unfähig dastehen zu lassen, gehört zum Spiel. Als Sachverständiger heißt es stets ruhig Blut zu bewahren, das Pokerface aufzusetzen, auch wenn man innerlich schon kocht. Halten wir uns vor Augen: Jeder im Gerichtssaal spielt seine Rolle, die wir nicht mit der Person dahinter gleichsetzen dürfen. Wer sich persönlich angegriffen fühlt und deshalb emotional wird, wer hitzig zu debattieren beginnt oder gar schreit, hat schon verloren!

Klarheit notwendig

Was tun mit Fragen in für den Sachverständigen schwer verständlichen Juristendeutsch? Antwort: Nachfragen, um Erläuterung bitten, notfalls nochmal erläutern lassen. Wenn es der Anwalt auch im dritten Versuch nicht schafft, kann man den Richter bitten, Dolmetsch zu sein. Wichtig ist, nicht vorschnell zu antworten, schon gar nicht, wenn man die Frage oder auch nur einen Teil davon nicht gänzlich verstanden hat. Was tun, wenn man nicht schnell antworten kann? Das klar und deutlich sagen. Und wenn man etwas nicht weiß? Na, dann ebenfalls klar und deutlich antworten: „Ich weiß es nicht!“

Stolz vermeiden

Das klingt vielleicht alles banal, aber es fällt niemandem ein Stein aus der Krone, wenn er oder sie zu einer konkreten Frage nichts zu antworten hat. Verletzter persönlicher Stolz wäre nicht nur hier, sondern genauso in der gesamten Sachverständigentätigkeit falsch am Platz. Besonders ist Vorsicht dann geboten, wenn Antworten verlangt werden zu Bereichen, die nicht zum Umfang der Befugnis des Sachverständigen gehören. Auf Verlangen kann man seine Meinung zwar kundtun, nicht aber ohne den Hinweis, dass man für dieses Fach nicht kompetent ist und deshalb ein Sachverständiger des anderen Fachs heranzuziehen wäre.

Einflüsse erkennen

Jeder Sachverständige muss sich dessen bewusst sein, dass er nicht gefeit ist gegen Selbsttäuschungen und gegen Einflüsse, die seine Objektivität gefährden können. Manche Rechtsanwälte können sehr vereinnahmend sein, gewollt oder ungewollt manipulativ wirken, etwa im Zuge von Kontakten bei örtlichen Befundaufnahmen. Auch dürfen Sympathien oder Antipathien wegen Äußerlichkeiten, wegen bestimmter Verhaltensweisen oder wegen der Art des Auftretens keinen Einfluss auf die Tätigkeit haben. Das gilt auch für den Fall, dass man mit einem der Anwälte eine gute Bekanntschaft pflegt.

Haben Sie Anmerkungen zum Thema? Über eine Reaktion würde ich mich freuen!

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