Sonnek

Blitz

Was unsere Gesellschaft dringend braucht und wonach sich viele sehnen, ist eine Öffnung und Durchlüftung von Institutionen und Einrichtungen, die Kraft ihrer Aufgaben dem Gemeinwesen verpflichtet sind. Von notwendigen Reformen – die ja als ständige Notwendigkeit verstanden werden sollten – wird viel geredet, noch mehr aber dagegen gemauert, weil, wie man so sagt, irgendwelche „Besitzstände“ und sogenannte „wohlerworbene Rechte“ auf dem Spiel stehen könnten. Die freien Berufe sind einer dieser Bereiche, die vor Herausforderungen stehen. Und dies nicht nur deshalb, weil die Zugangsregeln in Diskussion geraten sind.

Erste Herausforderung: Dienstleistungsrichtlinie

Zentrales Ansinnen der europäischen „Dienstleistungsrichtlinie“ ist es, die bestehenden Eintrittshürden zur Berufsausübung von Rechtsanwälten, Ärzten, Ingenieuren etc. in allen Ländern auf ein vergleichbares (und – das darf vermutet werden – in der Regel ein niedrigeres) Niveau zu bringen. Das ist aus kontinentaler Sicht löblich und durchaus verständlich. Auch verständlich ist, dass sich Berufs- oder Standesvertretungen aus einer Art Besitzstandverteidigung heraus dagegen wehren, dass mit dem Zutritt eine Senkung der bisher geltenden Anforderungen einhergehen soll. Dennoch wird man hier nach den üblichen Rückzugsgefechten mangels Rückendeckung durch eine breite Öffentlichkeit sinnvolle und tragbare Zugeständnisse machen müssen.

Zweite Herausforderung: Infragestellung von Kammern und Pflichtmitgliedschaft

Die Diskussion wird noch verschärft durch politische Bestrebungen, das mit den Standes- und Interessensvertretungen verbundene Kammerwesen zu vereinfachen oder in der heutigen Form gar abzuschaffen. Was logischerweise reflexartige öffentlichkeitswirksame Abwehrreaktionen von führenden Funktionären und Mitarbeitern dieser Institutionen zur Folge hatte. Aber auch in dieser Sache werden sich Änderungen nicht auf Dauer vermeiden lassen. Gesucht sind Köpfe mit strategischen Fähigkeiten, die nicht abwehrend, sondern vorwärtsdenkend neue Modelle mit schlankeren Strukturen vorschlagen, die für alle Betroffenen einen Mehrwert bringen können.

Dritte Herausforderung: Digitalisierung

Die britischen Wissenschaftler Richard und Daniel Susskind haben ich ihrer aufregenden, aber viel zu wenig beachteten Studie „The Future of the Professions – How Technology Will Transform the Work of Human Experts“ (Frei übersetzt etwa: „Die Zukunft der Freien Berufe – Wie Technik die Arbeit von Experten verändern wird“) aufgezeigt, das den freien Berufen durch die Digitalisierung eine dramatische Veränderung bevorsteht. Sie ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass dem Freiberufler, dem Sachverständigen und dem Experten die Funktion als „Torwächter“ zum Expertenwissen weitgehend abhandenkommt.

Endergebnis: Entmystifizierung von Berufen und Institutionen

Die Autoren erläutern, das neue und bereits verfügbare Algorithmen breiteren, weniger qualifizierten und daher billigeren „Para-Experten“ Wissen vermitteln, das vielen Nachfragern soweit genügt, dass sie auf Nachfrage bei freien Berufen verzichten können. Top-Experten wird es viel weniger geben, weil schlichtweg der Bedarf dafür fehlt. Entwicklungen in diese Richtung seien in vielen Ländern schon sehr weit fortgeschritten, meinen die Autoren, und sie beträfen ausnahmslos alle freien Berufe. Eine der Folgen ist eine weitgehende Entmystifizierung von betroffenen Berufen und in der Folge auch der damit verbundenen Institutionen.

Aufgaben für Angehörige der freien Berufe, für Funktionäre und Politiker

Das Propagieren von Berufsbildern aus einem Glauben an die eigene Überlegenheit heraus wird ein Ende finden müssen, je früher dies erkannt wird, desto weniger Porzellan wird man in den erforderlichen Übergängen zerbrechen. Das Verharren in vermeintlich unfehlbaren, in Wirklichkeit nicht mehr zeitgemäßen und ineffizienten Institutionen wird sehr bald nicht mehr möglich sein. Offenheit, Transparenz und Sparsamkeit werden nicht nur aus praktischen Überlegungen, sondern aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten heraus vorangetrieben, ja erzwungen. Es ist zu hoffen, dass allen Betroffenen klar wird, dass ihnen dramatische, spannende, aber auch chancenreiche Zeiten bevorstehen.

Haben sie eine Meinung zum Thema? Uber Ihre Mitteilung würde ich mich freuen!

Antworten

Copyright ©2012 Ing. R. Sonnek GmbH