Sonnek

Hände

Für Freiberufler jeglicher Art ist Vertrauen ein hohes Gut, denn ohne, dass ihnen ein Klient zuerst Vertrauen schenkt, wird es zu keinem Auftrag kommen. Freiberufler sind so gesehen Teil einer „Vertrauenswirtschaft“. In unserer Gesellschaft hat Vertrauen einen bedeutenden Stellenwert, der uns im täglichen Leben oft gar nicht so recht bewusst wird, ja der sogar selbstverständlich erscheint. Denken wir nur daran, wie oft wir unser Leben dem Geschick anderer Menschen anvertrauen, etwa einem Buschauffeur oder den Piloten eines Flugzeugs. Oder aber daran, in wie vielen Fällen Menschen Vertrauen in uns setzen, obwohl sie uns gar nicht kennen.

Eine Kultur des Vertrauens im Geschäftsleben, die Verkäufer und Käufer in gleicher Weise nützt, setzt Ehrlichkeit und Korrektheit vom Verkäufer und vom Käufer in gleicher Weise voraus. Eine lustige Geschichte darüber, dass Vertrauen ein Erbe und eine Besonderheit von Kulturen mit christlich geprägter Vergangenheit – also hauptsächlich Europa und Amerika – darstellt, erzählt ein Inder, der als Kenner unterschiedlicher Kulturen und als Vortragender viel auf der Welt unterwegs ist und die er in den Niederlanden erlebt hat. *)

Ein Freund nahm ihn mit um Milch von einem nahen Bauernhof zu holen. Die Milch konnte er frei entnehmen, das Geld dafür legte er in eine Dose mit Bargeld neben dem Milchkühlschrank. Von den Bauern war weit und breit nichts zu sehen, wohl aber konnte man durch die offene Stalltüre die Kühe beobachten. Der Gast verstand die Welt nicht mehr. „In Indien hätten sie jetzt die Milch mitsamt dem Geld mitgenommen“, meinte er entgeistert. „Wie kann man so etwas nur machen?“ Eine derartige Kultur des Vertrauens gab es in seinem Land schlicht nicht.

In seinen Vorträgen kam der Inder immer wieder auf dieses Erlebnis zu sprechen, so auch in einer internationalen Veranstaltung in Indonesien. Einer der Zuhörer, ein Ägypter, kam lauthals zum Lachen und meinte, „Wir Ägypter sind viel schlauer als die Inder. Wir hätten außer der Milch und dem Geld auch noch die Kühe mitgenommen!“ – Man stelle sich den Aufwand vor, der in Ländern ohne Vertrauenskultur notwendig wäre, um die Milch auf ähnliche Weise loszuwerden:

-         Zuerst wäre ein Verkäufer anzustellen, der dafür sorgt, dass Milch gekauft und bezahlt wird. Die Kosten dafür trägt natürlich der Konsument.

-         Der Bauer weiß, dass seine Kunden betrügen, deshalb schlägt er zurück und verdünnt die Milch mit Wasser.

-         Wegen entsprechender Beschwerden stellt die Behörde einen Kontrollor an, der die Milchgüte prüft. Die Kosten trägt der Steuerzahler, damit der Konsument.

-         Damit der Kontrollor die Milch rasch genug prüft, bevor sie sauer wird, muss man ihm Bestechungsgeld zahlen, was den Milchpreis wiederum erhöht.

-         Mittlerweile ist die Milch so teuer geworden, dass sich der Käufer beim Kauf anderer Artikel einschränken muss.

Das vielleicht überspitzte, aber anschauliche Beispiel von Korruption gibt ein Beispiel dafür, wie mangelndes Vertrauens sich zwangsläufig nachteilig auf das Wirtschaftsleben auswirken muss. Nun ist in unserer Gesellschaft das Vertrauensniveau recht hoch, zumindest gemessen an der Mehrzahl der übrigen Länder der Welt. Aber Vertrauen ist kein stabiler Wert, sondern es muss sich immer wieder erworben oder gar erkämpft werden, auch und besonders von Freiberuflern. Der Preis dafür ist zwar Anstrengung, Umsicht und Integrität. Der Lohn aber ist ein Umfeld, in dem gute Leistungsangebote entstehen können, die für Klienten leistbar sind.

*) Vishal Mangalwadi, „Das Buch der Mitte“, S. 344f

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