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Es kommt nicht oft vor, dass man von Richtern oder Richterinnen – die im Namen des Gerichts ja wichtige Auftraggeber für Sachverständige sind – umfassende und profunde Rückmeldung darüber bekommt, welche „Sünden“ denn Sachverständige so begehen können. Dabei ist letzterer Begriff nicht im religiösen Sinn zu sehen sondern damit sind Fehler gemeint, die in fachlicher, sachlicher und organisatorischer Hinsicht vorkommen, ihre Ursache aber auch in unzureichender Kommunikation oder in falschem Verhalten des Sachverständigen haben können. Eine Übersicht und Hilfen zur systematischen Vermeidung.

Es handelt sich um Pflichtlektüre für jeden Sachverständigen: „Sieben ‚Sünden‘ des Sachverständigen aus der Sicht des Richters – Praxisbeispiele“ von Frau Dr. Elfriede Dworak, Richterin des Handelsgerichtes Wien, erschienen in Heft 1/2017 der Zeitschrift „Sachverständige“. Ein gleichlautender Vortrag war bei den Gasteiner Seminaren im Jänner 2017 gehalten worden.

Es lohnt sich, die einzelnen im Artikel „Sünden“ genauer unter die Lupe zu nehmen und es ist interessant zu überprüfen, ob und wie weit ein qualitätsbewusster Sachverständiger davor gefeit ist, sie zu „begehen“. Wobei qualitätsbewusst in der Weise zu verstehen ist, dass der Sachverständige nicht nur sich bewusst anstrengt, gute und qualitätsvolle Arbeit zu liefern, sondern dass er gezielt und systematisch Vorsorge getroffen hat, Fehler zu vermeiden, bevor er noch überhaupt mit einem Gutachtensauftrag zu tun hat. Oder anders gesagt, ob er ein System zur Qualitätssicherung erstellt hat und das auch tatsächlich lebt.

Sehen wir uns also die “Sünden” der Reihe nach an, wobei hier nicht auf spannende und interessante Einzelheiten des sehr umfangreichen Artikels eingegangen werden kann, weil dies den Rahmen des Blogs sprengen würde. Dazu sollte man den Artikel wie gesagt selber lesen. Aber ausgehend von den Kapitelüberschriften sollen einige grundsätzliche Bemerkungen über Maßnahmen und Prinzipien des Qualitäts-Managements (QM) folgen, die bei gewissenhafter Befolgung die genannten „Sünden“ zwar nicht ausschließen können (wir sind Menschen und können uns irren), mit höchster Wahrscheinlichkeit aber vermeiden helfen.

1. Das falsche Gutachten

Zu einem falschen Gutachten kann es nur kommen, wenn entweder die fachliche Kompetenz nicht vorhanden war oder überschritten wurde, zu wenig, zu schlampig, vorschnell oder überhastet gearbeitet oder recherchiert worden war, oder aber der Gutachtensauftrag falsch verstanden worden ist.

QM: Vor jeder Auftragsannahme ist eine Machbarkeitsprüfung durchzuführen und zu dokumentieren, in der Schritt für Schritt unter Beachtung aller Aspekte und mit Sorgfalt geprüft werden muss, ob der Sachverständige fachlich-sachlich, terminlich und im Hinblick auf sein Honorar in der Lage ist, den Auftrag auszuführen. Verläuft die Prüfung negativ, ist der Auftrag abzulehnen oder zurückzulegen.

2. Das unverwertbare Gutachten

Der Hauptgrund, warum ein Gutachten nicht verwertbar ist, liegt offensichtlich darin, dass der Sachverständige in irgendeiner Form befangen war und das Gutachten deshalb im Verfahren nicht verwendet werden konnte.

QM: Ebenfalls schon vor Auftragsannahme ist eine detaillierte Risikoanalyse durchzuführen, in der nicht nur der Gegenstand des Gutachtenauftrages zu analysieren ist, sondern das gesamte Umfeld des Verfahrens, wobei der Aspekt der Befangenheit nur einen der Kontrollpunkte darstellt. Das Ergebnis ist zu dokumentieren. Zeigt die Analyse problematisches Potenzial, ist der Auftrag abzulehnen oder zurückzulegen.

3. Das erheblich verspätete Gutachten

Wegen Arbeitsüberlastung oder Überforderung verzögert sich die Fertigstellung über einen sehr großen Zeitraum. Bei Auftragserteilung wurde nicht auf ausreichenden Zeitpolster geachtet.

QM: Im Rahmen der Machbarkeitsprüfung und der Risikoanalyse muss auch klargestellt werden, ob der für die Abwicklung des Auftrages zur Verfügung stehende Zeitraum ausreicht. Ansonsten muss bereits vor oder spätestens bei Auftragsannahme ein Antrag auf Fristverlängerung gestellt werden.

4. Die Überschreitung des Gutachtensauftrags

Dazu kann es kommen, wenn etwa während der Befundaufnahme zusätzliche Aufgaben an den Sachverständigen herangetragen werden. Oder aber es treten Sachverhalte auf, in denen der Sachverständige seine Warnpflicht wahrnehmen muss.

QM: Änderungen im Auftragsumfang und -inhalt wirken sich entsprechend dem Qualitätsdreieck möglicherweise auf Kosten und Termine aus, deshalb werden über ein festgelegtes Verfahren sofort Maßnahmen veranlasst (hier insbesondere eine Rücksprache mit dem Gericht).

5. Beweiswürdigung im Gutachten – Rechtliche Beurteilungen

Der Sachverständige beschränkt sich nicht auf fachlich-sachliche Belange und begibt sich freiwillig oder auf „Anstoß“ auf juristisches Gebiet.

QM: Im Rahmen der Bearbeitung des Gutachtensauftrages dürfen die Forderungen des Auftraggebers, die im Auftragsschreiben festgelegt sind (bei Gericht: im Beschluss), nie aus den Augen verloren werden.

6. Ungenauigkeit und Rechenfehler

Bei der Durchführung von Berechnungen im Gutachten ist es zu Rechenfehlern gekommen, die unentdeckt geblieben sind und erst nach Fertigstellung und Übergabe entdeckt worden sind. Besonders problematisch dann, wenn sich dadurch das Gutachtensergebnis ändert.

QM: Jedes Gutachten wird nach Fertigstellung einer genau festgelegten Ausgangsprüfung unterzogen. Dazu gehört auch eine rechnerische Kontrolle von Berechnungen. Zudem muss für spätere Nachprüfung durch Dritte der Rechnungsgang genau nachvollziehbar gestaltet sein.

7. Der Sachverständige wankt bei der Gutachtenserörterung

Ein Sachverständiger ist einer intensiven Befragung im Gerichtssaal nicht gewachsen.

QM: Im Rahmen der bereits mehrmals erwähnten Machbarkeitsprüfung und der Risikoanalyse muss sich der Sachverständige mit der Materie intensiv beschäftigen. Er muss sich danach absolut sicher sein, dass er den Auftrag unter den absehbaren Umständen erfolgreich ausführen kann, gegebenenfalls unter Beiziehung von Subgutachtern.

Fazit

Die Erstellung und der Betrieb eines QM-Systems ist nicht einfach, aber trotzdem mehr als lohnend. Es bringt nicht nur ein hohes Maß an Sicherheit und Transparenz für den Sachverständigen selber, sondern auch die Gewissheit, dass der Auftraggeber genau das bekommt, was er braucht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger,

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