Sonnek

Blitz

Vermutlich kann jeder Sachverständiger aus seiner Praxis über Situationen berichten, in denen er in mehr als rein fachlicher Hinsicht gefordert war. Deshalb ist man ja auch nicht nur „Fachverständiger“, sondern eben Sachverständiger, also jemand, der mit einer mehr oder weniger komplizierten Sache umgehen können sollte. Das beinhaltet auch ein Mindestmaß an Fähigkeiten im Umgang mit Menschen, also Sozialkompetenz, wie man heute so sagt. Solche Situationen treten oft plötzlich und unerwartet ein, dürfen aber nicht überraschen. Sie erfordern jedenfalls eines: richtige Reaktion.

Eine dieser Überraschungen besteht darin, dass latente Interessenkonflikte, wie sie in einem Gerichtsfall ja vorliegen, während einer örtlichen Befundaufnahme offen ausbrechen. Na gut, verbale Rangeleien zwischen den Parteienvertretern gehören zum Geschäft und sind nicht weiter gefährlich. Aber es gibt schon Situationen, die an die Grenzen des Erträglichen gehen. Zwei Beispiele:

Erstes Beispiel: Schreianfall

Befundaufnehme. Ein vermutlich etwas „übernachtiger“ (für Nichtsteirer: nicht ausgeschlafener) und mit der Performance des beklagten Installateurs offensichtlich unzufriedener Kläger steigt die Kellerstiege voraus und betritt den Heizraum.  Dort soll eine nach seiner Ansicht schlecht funktionierende Wärmepumpenanlage besichtigt werden. Der Installateur folgt ihm.

Ob es an der tiefen Frustration liegen mochte oder fehlender Schlaf die Ursache war oder beides – jedenfalls begann der Kläger angesichts des Installateurs unerwartet haltlos zu brüllen. Unter einer Flut von hier nicht wiederholbaren Schimpfwörtern und Kraftausdrücken suchte der Installateur eilends den Weg nach oben. Nach etwa einer Minute Gebrüll begab sich der Anwalt des Klägers nach unten, um zu beschwichtigen, um nach wenigen Sekunden unverrichteter Dinge den Rückzug über die Treppe anzutreten. Was tun?

Nach etwa drei Minuten voller Lautstärke kam die gebrüllte Mitteilung: „Der Sachverständige kann jetzt herunterkommen!“ Dann Stille. Gemessenen Schrittes nach unten. Kalkül: Der Kläger hat alles Wesentliche gesagt und dürfte ziemlich erschöpft sein, sodass körperliche Gewalt oder irgendwelche Affekthandlungen nicht mehr zu erwarten waren. So war es auch. Freundliches Gespräch. Doch als sich der Installateur wieder blicken ließ, folgte nochmals haltloses Gebrüll, diesmal aber nur mehr eine Minute lang. Der Rest der Befundaufnahme war Routine.

Intuitiv gewähltes und hier richtiges Verhalten als Sachverständiger: Ignorieren des Gebrülls, sachliche Gespräche, Geduld, Gelassenheit, aber etwas örtlicher Sicherheitsabstand.

Zweites Beispiel: Handgreiflichkeiten

Wieder Befundaufnahme. Der Wert einer Installation soll geschätzt werden. Ein Brüderpaar streitet um das Gebäude, das einmal beider Elternhaus war. Der materiell gesehen etwas ärmere und nun beklagte Bruder wohnt mit seiner Frau in einem selbst errichteten Anbau zu diesem jetzt leerstehenden Elternhaus.

Der Anbau ist dem „reicheren“ und klagenden Bruder, der mit seinem Luxusfahrzeug aufkreuzt, ein Dorn im Auge. Er will den Anbau erst delogieren und dann abreißen lassen, um das „gesäuberte“ Elternhaus verkaufen und den Erlös teilen zu können, was der andere natürlich ablehnt. Anwesend sind neben den Brüdern zwei Damen: die Ehefrau des Beklagten und dessen Anwältin.

Laute verbale Auseinandersetzungen zwischen den Brüdern von Anfang an, unterbrochen von Pausen, in denen beide auf Fragen Auskunft geben. Dann Besichtigung des Heizraumes. Während als Sachverständiger kurz hinter einem großen Pufferspeicher aus dem Gesichtsfeld der Brüder entschwunden bin, sind plötzlich Schreie und das Geräusch von Ohrfeigen und Schlägen zu hören: Die Brüder sind sich in die Haare geraten.

Entsetzte Schreie der beiden Frauen. Schneller, als ich aus der Zwangslage hinter dem Behälter hervorkommen kann, haben sich die beiden gemeinsam zwischen die beiden Kontrahenten gestürzt und sie auseinanderdrängt. Zum Glück keine Verletzungen. „Nur“ noch ein Schreiduell, das aber bald abklingt. Der Rest war auch hier wieder Routine.

Zum richtigen Verhalten des Sachverständigen: ??? Also Hineingedrängt hätte ich mich in dieser Situation sicher nicht. Vermutlich hätte ich mich auf energische “Halt”-Rufe beschränkt und gegebenenfalls darauf, etwas später mit der Alarmierung des Roten Kreuzes dienlich zu sein …

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