Sonnek

Konflikt

Für einen Freiberufler im fortgeschrittenen Alter von 75 Jahren kann der Zeitpunkt gekommen sein, gewisse berufliche Tätigkeiten stark einzuschränken oder ganz einzustellen. Rational gedacht lässt sich dies allein schon mit dem Nachlassen physischer Leistungsfähigkeit begründen: Es ist trotz aller absichernden Maßnahmen bereits körperlich zu riskant, auf einem Steildach defekte Solarkollektoren inspizieren zu wollen. Auch der Versuch, in einer Befundaufnahme mit jüngeren Leuten im Laufschritt eine Treppe hochjagen zu wollen, erweist sich letztlich als zu anstrengendes Unterfangen …

Dazu kommt, dass solche Termine nicht nur körperlich anstrengend sein können, sondern zuweilen auch an Orten stattfinden, von denen man sich üblicherweise wünscht, nicht dort sein zu müssen: Extrem laute Werkstätten, kalte und zugige Lagerhallen, schmutzstarrende Hühnerställe, geruchsbeladene Gerbereien, dampfende Papiermaschinen, schweißtreibende Kesselhäuser, enge Maschinenräume, Laufstege mit wackligen Absturzsicherungen an Baustellen, dröhnende Lüftungsgeräte auf Podesten in fünfzehn Metern Höhe mit Luftmengenmessung um fünf Uhr morgens bei Wind und Regen …

Begegnungen und Bekanntschaften

Das sind Extrembeispiele, ich weiß, der Großteil verläuft entspannter und in manchen örtlichen Befundaufnahmen sind die Umstände oder Rahmenbedingungen sogar erfreulich. Letzteres gilt auch für viele Begegnungen oder Bekanntschaften, die eine Sachverständigentätigkeit mit sich bringt. Bekanntschaften vor allem mit Berufskollegen, aber auch mit Richtern, sogar mit Rechtsanwälten, die sich entwickeln, wenn man im Lauf der Jahre immer wieder vor Gericht miteinander zu tun hat. Man kennt sich, und obwohl man keine nähere Beziehung pflegt, weiß man, wie der andere tickt und ahnt oft voraus, wie er sich verhalten wird.

Aufhören, wenn es am schönsten ist

Vor ein paar Tagen hat die Richterin eines Bezirksgerichts angefragt, ob ich sie wieder in einem Verfahren unterstützen kann. Unsere bisherige Zusammenarbeit war immer sehr positiv verlaufen. Meine Ablehnung hat sie bedauert, aber akzeptiert, dass irgendwann Schluss sein muss und dass ich mich nur noch auf laufende Aufträge konzentriere. Wir haben uns gegenseitiger Wertschätzung versichert. Gerne habe ich ihr dadurch geholfen, dass ich ihr einen jüngeren Kollegen mit ähnlichen Fachgebieten als kompetenten und zuverlässigen Sachverständigen empfehlen konnte.

Ein Nebenberuf als Berufung

Die Schwierigkeit aufzuhören liegt für mich hauptsächlich darin, dass ich diesen „Nebenberuf“ als Gerichts- und Privatgutachter trotz der oben geschilderten oft misslichen Begleitumstände seit mehr als fünfundzwanzig Jahren mit Freude ausgeübt habe. Ich kann sogar sagen, dass darin für mich so etwas wie eine Berufung zu finden war. Wenn ich „Nebenberuf“ schreibe, dann deswegen, weil die Voraussetzung für die „Gutachterei“ die Ausübung eines Hauptberufs ist. In meinem Fall waren das Planungstätigkeit in einem Ingenieurbüro für Gebäude- und Energietechnik und die frühere Geschäftsführung eines Installationsunternehmens.

Was nicht aufhört

Neben der Tatsache, dass gute Beziehungen aus der Berufszeit auch danach weiterlaufen, werden auch andere Dinge nicht aufhören: Da ist zum Beispiel das Interesse daran, was sich im Fachgebiet Gebäudetechnik an Neuem tut und wie sich die verschiedenen Gebiete der Energietechnik entfalten. Genauso gilt es zu beobachten, wie sich das problematische Thema Klimawandel gesellschaftspolitisch  weiterentwickelt und ob und wie der säkularen Religion des Klimakatastrophismus zu begegnen sein wird, bevor sie ernsten Schaden an der Demokratie anrichten kann.

Helfer und Ratgeber für Neueinsteiger sein

Zuletzt ein wichtiges, persönliches  Anliegen: Die Zeiten ändern sich, auch die Berufsbilder. Aber viele Erfahrungen und Erkenntnisse sind zeitlos und sollten nicht verloren gehen. Daher mögen alle jene, die ihre aktive Berufslaufbahn beenden, auch danach noch kommenden Generationen als Helfer und Ratgeber zur Verfügung stehen, etwa im Beruf oder in der Selbstständigkeit Fuß zu fassen – aber natürlich nur dann, wenn diese das wollen! Begleiter oder gar Mentor für junge Berufskollegen zu sein und ihnen auf diese Weise zu dienen ist etwas sehr Schönes und Erfüllendes!

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