Sonnek

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Ludwig Boltzmann (1844 bis 1906) war ein österreichischer Wissenschaftler und Philosoph. Er war zu seiner Zeit hochangesehen, seine Arbeiten im Bereich der Physik gelten in vieler Hinsicht als prägend und zukunftsweisend. Von ihm wird berichtet, er habe seine Arbeit unter folgenden Leitspruch gestellt: „Bring vor, was wahr ist, schreib so, dass es klar ist, und verficht’s, bis es mit dir gar ist.“ Das ist ein Aufruf zu Wahrheit, Klarheit, Rechtschaffenheit und Verantwortung in wissenschaftlicher Tätigkeit. Die Forderungen haben jedoch genauso Gültigkeit und Berechtigung für die Arbeit von Sachverständigen.

Wenn Sachverständige ein Gerichtsgutachten schreiben, konzentrieren sie sich vorrangig darauf, dass sein Inhalt fachlich richtig ist. Ein Gutachten muss aber auch in einer Art und Weise verfasst sein, die Laien seinen Inhalt verständlich vermittelt, auch wenn es darin um komplexe Sachverhalte geht. An den Leitsatz von Boltzmann sollten sich vor allem in Bezug auf Klarheit Autoren von Gutachten immer wieder erinnern. Denn Richter, Anwälte und Parteien, die das Gutachten eines Sachverständigen lesen und verstehen müssen, sind im Regelfall fachliche Laien. – Soll ein Gutachten leicht lesbar und gut verständlich sein, gilt es, einige Regeln zu beachten.

Wortwahl

„Wer die Wahl zwischen zwei Worten gleicher Bedeutung hat, nehme das kürzere.“ „Man prüfe, ob sich ein – in seiner Bedeutung vielleicht nicht eindeutiges – Fremdwort nicht durch ein geeignetes eigensprachliches ersetzen lässt.“ „Fachausdrücke oder nicht allgemein bekannte Begriffe bedürfen einer Erläuterung.“ „Die Eignung modischer Anglizismen ist zu prüfen.“ … Das sind nur einige aus einer Vielzahl von Tipps für gutes Schreiben, wie Schriftsteller sie geben oder wie sie in Schreibkursen gelehrt werden, wenn sich die Diskussion um die richtige Wortwahl dreht. Auch die Qualität der Texte von Sachverständigen kann durch solche Hinweise gewinnen.

Kurze Sätze

Ein Gutachten verlangt nicht nach meisterlichem Stil oder herausragenden literarischen  Merkmalen. Es muss eher den Anforderungen eines robusten Gebrauchsgegensandes entsprechen, dessen Verwendung keiner weiteren Erläuterung bedarf. Dazu gehört vorrangig die Verwendung von einfachen Haupt- und falls erforderlich Nebensätzen. Keinesfalls darf ein Sachverständiger der Versuchung erliegen, es manchen Juristen gleichzutun: Die Kreation von Schachtelsätzen sollte ein Tabu sein. Das Gilt ebenso für gedrechselte und umständlich konstruierte Satzungetüme. Die beflügeln vielleicht die Seitenzahl, nicht jedoch die Verständlichkeit.

Textgliederung

Wer vom Berggipfel aus eine Landschaft überblickt, lässt zunächst seinen Blick schweifen. Seinem Interesser entsprechend fasst er nach und nach einzelne Punkte näher ins Auge. Genauso wird der Leser eines umfangreicheren Textes zunächst versuchen, sich einen  Überblick zu verschaffen, bevor er seine Aufmerksamkeit einzelnen Teilen zuwendet. Neben einem Inhaltsverzeichnis hilft hier eine Gliederung des Texts in Absätze, die dem Gedankengang entsprechend mit Überschriften und Zwischentiteln versehen sind. Solche eher kurzen „Texthappen“ sind für den Leser leichter erfassbar und damit eher bekömmlich als die „Bleiwüsten“ langer und auf den ersten Blick undurchdringlicher Textwürste.

Kein Fachchinesisch

Viele Professionen haben ihre eigene Fachsprache. Die dient in erster Linie der raschen Verständigung untereinander. Für einen „Uneingeweihten“ kann sie wie eine Fremdsprache wirken, die einen Zutritt zum Verständnis eines Texts erschwert oder gar verhindert. Für den Fachmann mit entsprechendem Vorwissen mag dann eine Schilderung völlig klar erscheinen, der Laie kann jedoch vor einem Rätsel stehen. Sachverständige müssen in der Lage sein, Sachverhalte in einer allgemein verständlichen Sprache zu beschreiben. Hier sollten sie den Rat des österreichisch-britischen Philosophen Karl Popper beherzigen: „Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann.“

Eindeutige Ausdrucksweise

Zur Einfachheit gehört auch Eindeutigkeit. Das Gericht stellt in seinem Auftrag einem Sachverständigen bestimmte Fragen. Darauf werden eindeutige Antworten verlangt. Besteht Unsicherheit, Unsicherheit oder Zweifel, muss man das sagen. Kann eine Frage nicht oder nur teilweise beantwortet werden, muss man auch das erwähnen. Wer schwammige oder von Unsicherheit geprägte Formulierungen verwendet und damit Unwissen verbergen will, handelt unlauter. Man bedenke: Die Ergebnisse eines Gerichtsgutachtens können für Betroffene einschneidende Folgen haben.

Fazit

„Wie reden Menschen mit Menschen?“ – „Aneinander vorbei.“ Dieses böse Bonmot kann auch für manche schriftliche Kommunikation gelten, die einem im Leben so unterkommt. Sachverständige, die hohe Ansprüche an sich stellen, sollten für das Gegenteil stehen, und zwar durch Wissen um guten und dem Zweck entsprechenden schriftlichen Ausdruck. Dieses Wissen sollte sich in allen täglichen Äußerungen niederschlagen: In jeglicher Korrespondenz, etwa in E-Mails, in geschäftlichen Schreiben, in Artikeln für Fachzeitschriften, vor allem aber in leicht lesbaren Gutachten …

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