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Zivilgerichtsprozess: Ein Installationsunternehmen klagt einen Bauherrn, der Zahlungen zu einer errichteten Heizungs-, Sanitär- und Lüftungsanlage in einem sanierten Bestandsbau zurückhält. Die Klagebeantwortung kontert mit dem Argument der unvollständigen und vor allem mangelbehafteten Leistungserbringung. Die Mängelliste ist lang und detailreich, der Beklagte hat sie von einem Fachmann erstellen lassen. Das Gericht beauftragt den Sachverständigen, einen Befund zu erstellen, die Mängel sollen in Anwesenheit der Parteien und ihrer Vertreter vor Ort erhoben werden. An sich also kein außergewöhnlicher Fall, aber …

Mängellisten neigen zu ungebremstem Wachstum

… zum Befundtermin wird schnell klar, dass die Mängelliste seit der letzten Verhandlung wieder ein gutes Stück gewachsen ist und alle Anzeichen dafür sprechen, dass sie weiterhin zu wachsen gedenkt. Das ist besonders oft dann der Fall, wenn ein Kunde von Leistungen des Installateurs zunehmend enttäuscht ist: Jetzt fallen ihm auch kleinere Dinge auf, die Anlass zur Beschwerde sind oder sein könnten. Was kann ich tun als Sachverständiger? Nun, zuerst einmal können nur Sachen befundet werden, die greifbar oder zumindest sichtbar sind. Somit wird man sich zunächst auf diese Sachen konzentrieren.

Zu manchen Mängelbehauptungen sind Messungen notwendig

Aber nicht alle Dinge sind greifbare Sachen: Mängeläußerungen über Zustände wie „in diesem Raum ist es zu kalt“ können zwar zur Kenntnis genommen und protokolliert werden, sind aber ad hoc meist nicht überprüfbar. Um Zustände beurteilen zu können, müssten Nachweise in Form von Messungen vorliegen. Sind Raumzustände betroffen, wären solche Messungen über einen aussagekräftigen Zeitraum hinweg erforderlich. Wenn jetzt die Befundaufnahme im Hochsommer erfolgt, wird man mit der Messung ein halbes Jahr warten müssen, was meist zur Folge hat, dass entsprechende Mängelpunkte zunächst hintangestellt werden müssen.

Mängelfeststellungen können nicht immer zerstörungsfrei erfolgen

Aber nochmals zurück zu materiellen Dingen: Nicht alles, was vorhanden ist, ist auch sichtbar. Ob die Wärmedämmung einer unter Putz verlegten Warmwasserleitung ausreichende Stärke aufweist, kann nicht durch direkte Messung festgestellt werden, weil nur in den seltensten Fällen es möglich sein wird, in eine schöne Zimmerwand eine Suchöffnung zu stemmen. Eine Ausnahme läge dann vor, wenn ein Ende oder beide Enden der Leitung freiliegend oder auf sonst eine Weise zumindest teilweise zugänglich wären. Wärmebilder einer Infrarotkamera könnten bestenfalls einen groben Anhalt bilden, mehr nicht.

Beispiel für technische Hilfsmittel zur Mängelerhebung

Infrarotbilder können andererseits äußerst nützlich sein, wenn etwa bemängelt wird, eine Fußbodenheizung sei nicht in ausreichender Dichte verlegt worden. Rohrabstände können mittels Thermografie gut erfasst und gemessen werden. Auch Temperaturverläufe an der Fußbodenoberfläche lassen sich gut erfassen und damit kann die Mängelbehauptung einer “zu hohen Welligkeit“ (was im Klartext bedeutet: Es gibt Stellen am Fußboden, die barfuß als zu kalt empfunden werden) zuverlässig überprüft werden. Aber logischerweise ist eine derartige Feststellung auch in diesem Fall nur während der Heizperiode möglich!

Kleinere Mängel könnte man zusammenfassen und pauschal behandeln

Wächst die Anzahl der Mängel nochmals stark an, könnte man nach deren Schwere oder nach dem grob geschätzten Wert ihrer Behebungskosten differenzieren: In einem ersten Schritt werden nur die „teureren“ oder gravierenderen im Befund berücksichtigt, die „kleineren“ zunächst zurückgestellt oder gar zusammengenommen und pauschaliert. Kommt der Sachverständige bei den größeren zu einer gutachterlichen Bewertung und fließt diese in die richterliche Beweismittelerhebung und in seine Prognose hinsichtlich seines zu erwartenden Urteils ein, können die Beteiligten immer noch entscheiden, ob sie das restliche „Kleinholz“ auch noch aufarbeiten wollen.

Aufnahme von Mängeln erfordert Zeit und Konzentration

Umfassende Befundaufnahmen von Mängeln erfordern nicht nur viel Zeit, sondern verlangen vom Sachverständigen hohe fachliche Aufmerksamkeit und volle Konzentration, insbesondere in der Kommunikation. Die Verfahrensbeteiligten sind meist keine Fachleute und tun sich oft schwer, Mängel exakt zu benennen oder zu beschreiben, was den Sachverständigen zu Missverständnissen führen kann. Er muss daher bereit sein, seinen Befund entsprechend zu korrigieren oder zu ergänzen, was ihm leicht fällt, wenn – wie in größeren Verfahren üblich – in einem ersten Schritt nur ein schriftlicher Befund zu erstellen ist und das Gutachten im engeren Sinn erst nach völliger Abklärung aller Sachverhalte erstellt werden muss.

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