Sonnek

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„Wie lange sind Sie als Sachverständiger bei Gericht verpflichtet, Unterlagen zu einem Gutachten in einem Verfahren aufzubewahren?“ – Die meisten Teilnehmer des Seminars für Sachverständige hatten noch nie ein Gutachten verfasst und hätten die Antwort auf diese Frage wohl nicht als besonders wichtig erachtet. Aber der Vortragende hatte die Frage direkt an mich gerichtet. „Wenn ich die Aufbewahrungspflicht für Unterlagen für das Finanzamt als Richtlinie nehmen würde, wären das sieben Jahre“, antwortete ich. „Das ist falsch!“ meinte er kurz und bündig. „Ich weiß …“ antwortete ich prompt …

„… sie beträgt dreißig Jahre.“ „Das ist korrekt, es sind dreißig Jahre.“ – Drei Jahrzehnte sind eine äußerst lange Zeitspanne. Selbst die Unterlagen zu meinem ersten Gerichtsgutachten, das ich 1997 gemacht habe, darf ich noch nicht vernichten! Das ist nicht unwichtig, denn wie bewahrt man schriftliche Unterlagen sicher auf? Denn um solche geht es ja hier hauptsächlich. Etwa zweihundert Gerichtsverfahren hinterlassen eine schöne Menge an Papier. Die meisten Verfahren lassen sich in einem Ordner sammeln, aber es gibt doch größere Verfahren, die sich über längere Zeit hinziehen und – im Extremfall – ein Dutzend zusammenbringen!

Papier braucht Platz

Jetzt ist Papier ein dauerhaftes und verlässliches Speichermedium, wenn wir an alte Bibliotheken denken und an Bücher, die Jahrhunderte alt sind. Ausnahmen sind etwa licht- und temperaturempfindliche Papiere, wie wir sie in den frühen Faxgeräten verwendet haben. Die sind meist schon nach ein paar Jahren unleserlich und damit unbrauchbar. Und natürlich kann falsche Lagerung Papier zerstören, in einem feuchten Keller etwa. Akten aus Papier und vor allem die genannten Ordner brauchen aber Platz, und davon nicht zu wenig. Was also bleibt einem übrig, als etliche Meter an möglichst gut zugänglichen Regalen dafür bereitzustellen.

Aber heute ist doch alles digital?

Jein. Zwar arbeitet heute jeder Sachverständige auf digitaler Basis, aber wie wir alle wissen, fallen immer wieder Unterlagen aus Papier an. Andererseits ist es in Arbeitsprozessen manchmal auch vorteilhaft, digitale Unterlagen auszudrucken, weil man sich mit Gedrucktem aus Gewohnheit leichter tut. De facto arbeiten wir alle mehr oder weniger hybrid, also teils mit Papier, in der Hauptsache aber digital. Was wieder die Frage nach der Sicherheit der gespeicherten Daten aufwirft. Und nach der Sicherheit und Lebensdauer von Datenträgern insbesondere dann, wenn man einen Datenverlust durch Plattenschaden eins zu eins auf das Sicherungsmedium übertragen bekommt, was eigentlich nicht passieren dürfte, mir aber untergekommen ist.

Was tun mit Originalen?

Es ist im Besonderen unangenehm, wenn von einem Datenverlust eine Menge von Bildern aus örtlichen Befundaufnahmen betroffen ist, die man aus einem Akt nicht vermissen mag, denn wer weiß, ob nicht genau diese Unterlagen als Beweis in einem Folgefall benötigt werden können. Dasselbe gilt auch für technische Zeichnungen oder andere bildliche Darstellungen, die unangenehm viel Speicherplatz benötigen. – Was aber geschieht mit Originalen von Schriftstücken, Urkunden etc.? Meines Erachtens sollte man keine im Archiv haben. Originale sind für mich wie heiße Kartoffeln zu handhaben, die ich bei erster Gelegenheit und besonders schnell an den Eigentümer rückübermittle.

Was tun mit Gegenständen?

Im Lauf von Gutachtensaufträgen werden mir oft Maschinenteile oder Installationsmaterialien übergeben oder ich muss sie mir beschaffen, um sie untersuchen zu können. Im Prinzip gilt das für Originale Gesagte. Aber manchmal befinden sich auch Dinge darunter, die geringen materiellen Wert haben und sperrig sind oder schwer von Gewicht. Oder beschädige Teile, die praktisch nur mehr Schrott sind. Was tun damit? Sehr oft teile ich dem Auftraggeber mit, bis zu welchem Termin nach Ende meiner Tätigkeit ich die Teile im Archiv aufbewahre und dann entsorge. Noch nie hat sich jemand danach erkundigt.

Jeder Fall ist einzigartig

Was besagte Gegenstände betrifft, sind auch Stücke darunter, die kurios sind, oder gering von Wert, aber einen Millionenschaden ausgelöst haben oder solche, aus denen man etwas lernen kann. Derlei Dinge bewahre ich mir manchmal auf, auch weil ich die Erfahrungen damit an Kollegen weitergeben kann. – Eine Erfahrung habe ich auch gemacht: Gleichartige Probleme, aus denen man die Erfahrung vorhergehender Fälle direkt nutzen kann, sind äußerst selten. Ich suche bei einem neuen Auftrag auch nie danach, was ich einmal in ähnlichen Fällen gemacht habe. In meinen Augen ist jeder Fall neu und einzigartig und verdient meine volle Aufmerksamkeit. Daran ändern auch gut aufbewahrte alte Gutachten nichts …

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