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Eine auch für Sachverständige angenehme Folge der Digitalisierung im Bereich der staatlichen Behörden ist die Einführung des digitalen Gerichtsakts. Musste man früher in größeren Verfahren voluminöse Aktenbände durchackern, liegen heute alle relevanten Dokumente – vom Gerichtsakt selbst bis zu den Beilagen der Parteien – in gut strukturierter Form vor. Dazu kommt noch die Möglichkeit, nach Stichworten zu suchen, was bei Seitenzahlen von mehreren Hundert eine enorme Erleichterung bedeutet. Wollte man das in früheren Jahren tun, musste man den Akt selbst digitalisieren – ein mühsames Unterfangen.

Über die digitale Signatur und nach Freischaltung durch das Gericht hat der Sachverständige direkten Zugang zu den Akten jener Verfahren, in denen er vom Gericht bestellt worden ist. Mehr noch: Er kann seine Eingaben, also Mitteilungen, Ersuchen, Warnhinweise etc. und später auch Gutachten und Gebührennoten direkt hochladen. Andersherum kann das Gericht auf diesem Weg dem Sachverständigen Mitteilungen zukommen lassen. Zurzeit läuft die Sache aber noch so, dass wichtige Benachrichtigungen, zum Beispiel Ladungen zu Tagsatzungen, parallel per Post und mittels eingeschriebenen Briefs an den Adressaten ergehen – sicher ist sicher.

Aufbereitung des Gerichtsakts

Jetzt aber zum eigentlichen Thema: Wie bereite ich einen Gerichtsakt auf, wie werte ich ihn aus? Unter Aufbereitung verstehe ich hier das genaue Studium des gesamten Akts, insbesondere jener Teile, die für die Beantwortung der Fragen aus dem Gerichtsauftrag  von Bedeutung sind. Dabei mache ich mir Notizen und schneide auch gleich Schnipsel aus dem Akt – elektronisch natürlich! – und füge sie in meine Notizen ein. Dazu suche ich mir ruhigere Zeiten im Büro aus oder – was selten vorkommt – plane mir Sperrzeiten ein, in denen ich nicht gestört werden möchte. Denn jede Störung kostet Aufmerksamkeit und jeder Wiedereinstieg braucht Zeit!

Auswertung des Gerichtsakts

Was bedeutet das? Nun, es ist eine kritische Bewertung aller zusammengetragenen Notizen in Bezug auf den Inhalt des Gerichtsauftrags, insbesondere auf die vom Gericht gestellten Fragen an den Sachverständigen. Beim Studium des Akts kommen einem erfahrungsgemäß manchmal Dinge oder Sachverhalte unter, die hohes persönliches Interesse hervorrufen und den Wunsch, sich darüber auszubreiten und die gewonnenen – ach so interessanten – Erkenntnisse auch im Gutachten zu berücksichtigen. Das ist dann gefährlich, wenn die Erkenntnisse für die Beantwortung der Fragen aus dem Gerichtsauftrag keine Bedeutung haben!

Auftragsinhalt nicht  aus den Augen verlieren

Der Verzicht darauf, Interessantes – aber Überflüssiges – im Gutachten wiederzugeben, mag nicht einfach sein, ist aber unbedingt notwendig. Nichts wäre in einem Gutachten peinlicher als die Beantwortung einer Frage, die nicht gestellt worden ist. Das Gutachten hätte in diesem Punkt sein Ziel verfehlt und der Sachverständige könnte seinen Anspruch auf Entlohnung verlieren! Daher ist es sinnvoll, jede Notiz darauf zu prüfen, ob und wie weit sie für die Beantwortung einer Frage wirklich relevant ist.

Grundlage für die örtliche Befundaufnahme

Für die meisten meiner Gutachten ist eine örtliche Befundaufnahme notwendig. Auf Grundlage meiner Notizen erstelle ich eine Liste von für mich einzuholenden Informationen und von Tätigkeiten, die vor Ort durchzuführen sind, z. B. bestimmte Lichtbilder anfertigen oder Maße zu nehmen etc. Auch hier ist es notwendig, sich immer wieder vor Augen zu halten, welche Fragen das Gericht beantwortet haben will. Auch eventuelle zusätzliche Begehrlichkeiten von Parteien oder ihren Rechtsvertretern, was noch im Befund zu berücksichtigen sei, sind stets im Hinblick auf den Gerichtsauftrag zu prüfen.

Fazit

Die genaue Kenntnis, Aufbereitung und Auswertung eines Gerichtsakts und das Finden jener Informationen, die für die Beantwortung der Fragen aus dem Gerichtsauftrag wirklich und unbestreitbar von Bedeutung sind, ist ein zentraler Erfolgsfaktor für den Sachverständigen. Dadurch gewinnt der Sachverständige jene fachliche und sachliche Sicherheit, die das Gericht von ihm einfordern darf. Davon profitieren nicht nur das Gericht, das Verfahren und die Parteien, sondern auch der Sachverständige selbst. Denn er kann mit Recht davon ausgehen, dass er nie an Auftragsmangel leiden wird.

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