Sonnek

SV

Unlängst ist mir bewusst geworden, wie sehr sich die Tätigkeit als Sachverständiger im Lauf des letzten Vierteljahrhunderts gewandelt hat. Für die Veränderungen waren keine abrupten Ereignisse maßgeblich. Stattdessen kam es zu einer Vielzahl kleiner und sich erst allmählich abzeichnender Entwicklungen, die für sich gesehen durchaus unspektakulär abliefen. Manche habe ich nicht beachtet, andere zwar beiläufig wahrgenommen, jedoch gleich wieder beiseitegeschoben. Aber die Summe macht’s: Erst durch den bewussten Vergleich von Früher zu Heute wurde mir der Unterschied augenscheinlich.

Voranstellen muss ich allerdings, dass sich in fünfundzwanzig Jahren auch die eigene Persönlichkeit verändert, ich bin heute nicht mehr der von damals. Damit haben sich die Perspektiven  und Prioritäten verschoben. Anders als damals sind mir heute manche Dinge nicht mehr wichtig. Umgekehrt ziehe ich jetzt Dinge vor, für die mir damals jede Sicht fehlte. Das geht wohl jedem so. Während all der Zeit blieb das Ziel der Arbeit als Sachverständiger eine Art Konstante und damit ein Maßstab, an dem ich erkennen kann, wie sich einzelne Begleitumstände geändert haben.

Verschobene Autoritäten

Viel hat sich getan, wenn ich Arbeit und Wesenszüge von Richtern betrachte. In meiner Anfangszeit erschienen mir einige Richter als starke und ausgeprägte Persönlichkeiten mit  beträchtlicher Autorität. Letztere setzten sie gezielt und häufig ein, um das Geschehen im Gerichtssaal voranzutreiben. Sie schienen auch sehr viele Freiheiten zu haben oder sich zu nehmen, ein Verhalten, das ich heute nicht mehr erkennen kann. Dominant ist nicht mehr die Persönlichkeit, sondern der nüchterne, technokratisch geprägter Prozessablauf, der allmählich Einzug gehalten hat.

Geänderter Geschlechtermix

Was im Rückblick auffällt: Rein aus meiner Froschperspektive als Sachverständiger stelle ich fest, dass der Anteil an Frauen im Richteramt im Lauf der fünfundzwanzig Jahre vor allem in den Bezirksgerichten deutlich gestiegen ist. In meinen Beruf hatte ich mit Frauen und Männern in ähnlichen Positionen zu tun und habe registriert, dass Frauen sehr anders an Problemlösungen herangingen als ihre männlichen Kollegen. Einen derartigen Unterschied konnte ich im Gericht allerdings nicht ausmachen: Frauen verhandeln aus meiner Sicht genau auf die gleiche Art wie Männer.

Weniger Papier

Eine besondere Zäsur sehe ich in der Einführung des elektronischen Akts. Das mühsame Hin- und Herschaffen von Aktenkonvoluten über den Postweg, das hin und wieder notwendige, zeitraubende Einscannen und Lesbar-Machen der wichtigsten Teile, all das hat sich zum Glück erledigt. Die anfänglichen Softwareschwierigkeiten wurden beseitigt, der Funktionsumfang vergrößert, so dass heute in Verbindung mit dem elektronischen Rechtsverkehr ein vorbildhaft gutes Werkzeug bereitsteht, das die Arbeit auch des Sachverständigen enorm erleichtert. (Wenn sich dann noch einige Bezirksgerichte befleißigen würden, in ihren elektronischen Akten mehr Ordnung einzuhalten, wäre alles perfekt …)

Tempo, Tempo …

Die vorhin beschriebenen Tendenzen der „Technokratisierung“ der Gerichtsabläufe und der „Technisierung“ des Aktenlaufs fordert auch vom Sachverständigen eine stärkere Beschleunigung, die wiederum nach einer höheren Systematisierung der Arbeit des Sachverständigen verlangt. In meinen Augen liegt hier noch viel Potential brach. Das vermeine ich daran zu erkennen, dass sich viele Sachverständigenkollegen nicht nur gegenüber dem Gericht, sondern bereits in der Kooperation untereinander schwertun, terminliche Zusagen einzuhalten.

Sicherheiten

Der Sachverständige, der vor fünfundzwanzig Jahren das Gerichtsgebäude betreten hat, konnte dies zu jeder Öffnungszeit und ohne besondere Umstände tun, was derzeit kaum noch vorstellbar erscheinen mag. Heute sind Sicherheitssperren zu überwinden, Sicherheitspersonal kontrolliert Gepäck und fallweise Personalien, in größeren Häusern sind Personalschleusen zu durchqueren. Damals hätte sich auch nur jemand mit sehr großer Fantasie vorstellen können, dass man in ferner Zukunft einmal stundenlange Verhandlungen in Plexiglasverschlägen und mit Staubschutzmasken versehen durchleben würde …

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