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Energie

Michael Shellenberger ist den Lesern dieses Blogs kein Unbekannter. Der Autor des Buches „Apokalypse, niemals“ und einer der prominentesten und meistgelesenen Befürworter einer vernunftgeleiteten Energiepolitik, gab der deutschen Zeitschrift „Tichys EinblickNr. 10-2022 ein Interview, in dem er zum Scheitern der deutschen Energiewende und den Vorteilen der Kernkraft Stellung nahm. Der US-Amerikaner befasste sich aber auch mit der aus seiner Sicht menschenfeindlichen Umweltideologie, wie sie in Deutschland (und Österreich) vorherrscht. Dieser Ausschnitt des Interviews ist nachstehend wiedergegeben.

Die Kernbotschaft von „Apokalypse, niemals!“ lautet: Die Klimakrise ist eine Krise, aber sie ist nicht das Ende der Welt. Es droht nicht – anders als es etwa Greta Thunberg und ihre Anhänger behaupten – der Klima-Tod von Hunderten Millionen Menschen. Sie bezeichnen sich selbst als Ökomodernist. Was ist Ökomodernismus?

Nun, ich bewege mich im philosophischen Rahmen des Ökomodernismus. Ich ziehe es aber vor, „promenschliche Umweltschützer“ zu sagen. Ich denke, das ist ein zugänglicherer und verständlicherer Begriff, weil Ökomodernist die Frage aufwirft, was wir mit „öko“ meinen und was mit „modern“.

Und was meinen Sie?

Ich denke, der Hauptunterschied zwischen meiner Art von Umweltbewegung und der Umweltbewegung der deutschen grünen Partei ist, dass ich grundsätzlich auf der Seite der Menschen stehe. Ich glaube, dass wir es sind, die entscheiden, was Umweltqualität ist und was Umweltzerstörung. Ich bin ein umweltbewusster, menschenfreundlicher Umweltschützer. Das bedeutet: Wir schützen die Natur vor allem dadurch, dass wir sie nicht nutzen. Wir nutzen sie vor allem nicht, indem wir synthetische oder künstliche Ersatzstoffe schaffen, und zwar in Form von fossilen Brennstoffen, die die Biomasse ersetzen. Um weniger Land zu nutzen und darauf mehr Nahrungsmittel zu produzieren, verwenden wir synthetische Düngemittel und chemische Hilfsmittel.

Wenn wir uns die historische Entwicklung etwa der Energiegewinnung ansehen, dann führt sie über das Verbrennen von Holz und Dung über Kohle und Öl zu Erdgas. Industrieländer wie Deutschland und die Vereinigten Staaten müssen idealerweise von Kohle zu Erdgas und Kernenergie übergehen, während die armen Länder von Holz und Dung auf Wasserkraftwerke und Kohlekraftwerke umsteigen müssen.

Während Deutschland gerade von Atomkraft und Kohle zu Windrädern wechselt …

Ja. Offensichtlich sind Energiewende und Energiefortschritt nicht vereinbar. Die für mich interessanteste Frage meiner Arbeit an den vergangenen beiden Büchern und auch am nächsten Buch lautet: Warum lehnen zivilisierte Menschen die Zivilisation ab?

Und? Warum tun sie es?

Die Antwort in „Apokalypse, niemals!“ ist, dass es eigentlich drei Gründe gibt: finanzielle Motive, Macht und Religion, wobei letztlich der Wunsch nach Religion eine tiefe Motivation für die grüne Bewegung darstellt. Wenn man nicht mehr an Gott glaubt und die traditionelle Religion ablehnt, konstruieren wir neue Religionen – neue säkulare Religionen – und versuchen, neue Moralvorstellungen zu schaffen, die oft auf sehr einfachen Annahmen beruhen und nicht die Art von Komplexität traditioneller Religionen haben. In der traditionellen jüdisch-christlichen Religion geht man davon aus, dass Gott uns die Erde gegeben hat, damit wir sie so gestalten, wie wir es wollen. Die Idee der apokalyptischen Umweltbewegung lautet, dass die Gestaltung der Umwelt durch den Menschen eine Sünde ist.

Die Natur selbst wird in dieser Ideologie als ein sakrales Wesen gedeutet.

Richtig. Die Natur nimmt den Platz von Gott ein. Das wurde von Friedrich Nietzsche ziemlich gut vorhergesagt. Er argumentierte, dass wir, wenn die Menschen aufhören, an Gott zu glauben, eine Phase des Nihilismus erleben würden, also eine Sinnkrise. Diesen Nihilismus sehen wir auch in der heutigen apokalyptischen Umweltbewegung. Der Umweltschutz hatte von den 1970ern bis in die 1990er hinein eine stark utopische Qualität. Heute ist er sehr nihilistisch und sehr negativ. Greta Thunberg sagt: „Wir müssen aufhören, fossile Brennstoffe zu verwenden.“ Daraus folgt eine negative Agenda: Zerstört die Zivilisation. Legt sie lahm. Stoppt die Züge, stellt den Verkehr ein. Es gibt keine positive Alternative.

Offensichtlich hat Thunberg zumindest in westlichen Ländern eine erhebliche Anhängerschaft – und auch Einfluss auf politische Entscheidungen. Wie erklären Sie sich die Wirkung von Leuten, die eine eingängige apokalyptische Botschaft verbreiten?

Ich würde sagen, dass wir dann, wenn uns jemand zur Panik aufruft, aus guten Gründen mit großer Skepsis reagieren. Es stellt sich also die Frage, warum jemand einem Teenagermädchen, das uns dazu aufruft, in Panik zu geraten, so viel Aufmerksamkeit schenkt. Warum hat ein Mädchen im Teenageralter so viel Macht über die Gesellschaft erlangt? Die Antwort liegt darin, dass Leute wie Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Robert Habeck und andere jahrzehntelang Fehlinformationen und Schlagzeilen verbreitet haben, an die die Menschen, die die Schlagzeilen schreiben, und die Menschen, die sie konsumieren, zu glauben begannen.

In Ihrem Buch beschreiben Sie, wie Rockström gegenüber dem britischen „Guardian“ behauptete, in einer zwei Grad wärmeren Welt könnten vier Milliarden Menschen nicht mehr ernährt werden (und auf Ihre Nachfrage dann erklärte, er habe das nicht so gesagt, es habe sich um ein Missverständnis des „Guardian“-Journalisten gehandelt).

Ja. Und wenn dann ein Kritiker bei solchen Botschaften darauf hinweist, dann korrigieren sie sich möglicherweise und sagen: Ja, es ist etwas komplizierter. Aber das Grundbild ist apokalyptisch. Die Gesellschaft als Ganzes, die Führer der Gesellschaft wollen an eine apokalyptische Botschaft glauben. Im vergangenen Sommer habe ich beispielsweise die gesamte Berichterstattung der „New York Times“ über Hitzewellen in den letzten 100 Jahren gelesen.

In den 1930ern, mitten in der Großen Depression, gab es zum Beispiel schreckliche Hitzewellen. Es waren die schlimmsten Hitzewellen in der Geschichte der USA. Viele Menschen starben, denn es gab keine Klimaanlagen. 2021 hatten wir in New York Hitzewellen, und jetzt in Deutschland und Berlin. Und die Schlussfolgerung ist: Die Welt geht unter. Dabei haben wir Klimaanlagen, und weniger Leute sterben infolge von Hitze.

Es gibt also eine gewisse Lust daran, eine Katastrophe vorauszusagen?

Es gibt eine apokalyptische Stimmung, ein Verlangen nach apokalyptischem Denken, das etwas widerspiegelt, was viel tiefer in der Kultur liegt als der Klimawandel. Wenn wir uns den Klimawandel anschauen: Das ist ein völlig überschaubares Problem. Wir können ihn durch die Verringerung der Kohlenstoffemissionen in den Griff bekommen, indem wir von Kohle auf Erdgas und Kernkraft umsteigen. Was die Herausforderungen angeht, so verblasst das Problem des Klimawandels im Vergleich zu vielen der großen Herausforderungen, mit denen sich die Menschheit auseinandersetzen musste, von Krankheiten über Kriege bis hin zum Hunger – all den großen Probleme, denen sich die Menschen stellen mussten.

Dass der Klimawandel trotzdem von vielen als apokalyptisch wahrgenommen wird, liegt, glaube ich, daran, dass viele Menschen unter dem Nihilismus leiden, dass sie glauben, es gäbe keinen Sinn in unserem Leben und dass die Welt besser dran wäre, wenn wir Menschen nicht auf der Erde wären. Das ist die vorherrschende Geschichte im Westen – und es ist eine deprimierende Erzählung. Wenn wir sie unseren Kindern erzählen, müssen wir uns nicht wundern, wenn sie selbst keine Kinder haben wollen. Wir haben es also mit einer Art spiritueller Krankheit zu tun, die von Nietzsche vorausgesagt wurde.

Wie lautet, kurz gefasst, Ihre Gegenbotschaft?

Die alternative Sichtweise besagt, dass diese Zivilisation, die wir uns geschaffen haben, ein Wunder ist. Dass die Möglichkeiten, die wir haben, das Ausmaß an Freiheit, das wir genießen, etwas Wunderbares ist. Wir sollten dankbar sein, dass wir dieses unglaubliche Maß an Wohlstand und Freiheit genießen und dass wir die Pflicht haben, diese Zivilisation fortzuführen, indem wir zum Beispiel eine stabile Energieversorgung, eine stabile Lebensmittelversorgung aufrechterhalten. Das ist eine Pro-Zivilisation, eine Pro-Mensch-Erzählung. Und ich glaube, dass wir zu ihr zurückkehren müssen.

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