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Mehrere Jahrzehnte eines Berufslebens bringen eine Menge Wissen und Erfahrung mit sich. Was geschieht mit diesem Erlebten, hat es irgendeinen Wert? Gewiss, viele sind froh, es mit Antritt des Ruhestands allmählich dem Vergessen überantworten zu können. Aber andere, die in und an ihrer Tätigkeit Sinn und Freude hatten, empfinden das Erworbene als einen vom Leben anvertrauten Schatz. Einen, den sie einerseits hüten und bewahren, den sie aber auch gerne mit anderen teilen. Besondere Freude bereitet es ihnen, das mit jungen Menschen zu tun, die ähnliche berufliche Pfade einschlagen möchten: Sie werden zu Mentoren.

Was ist ein Mentor, was tut er?

Jemand, der in einen Beruf ein- oder umsteigen will, steht vor einem schier unübersichtlichen Berg von Fragen und Problemen. Die Gefahr, entweder ganz zurückzuscheuen, zu zögerlich vorwärtszukommen oder andererseits einfach draufloszustürmen und entscheidende Fehler zu machen, ist groß. Hier hilft ein Mentor. Er ist nichts anderes als ein Ratgeber, ein Berater, aber auch ein Beistand, besonders für junge Menschen, die in eine neue Tätigkeit oder einen neuen Beruf einsteigen wollen. Mentoren können aber genauso Personen helfen, die sich in einer schwierigen Entscheidungs- oder Übergangsphase befinden und Orientierung benötigen.

Wie wird man Mentor?

Meine Tätigkeit als Mentor hat vor gut fünfzehn Jahren begonnen, und zwar aus einer Vortragstätigkeit in Vorbereitungskursen für angehende Ziviltechniker heraus. In den Vorträgen ging es um Erfolgsfaktoren, die für diesen Berufsweg wichtig sind. Einige Zeit nach solchen Kursen haben mich Teilnehmer kontaktiert, um Informationen gebeten und um Ratschläge gebeten. In der Bundesfachgruppe der Ziviltechniker für Industrielle Technik habe ich im Jahr 2006 angeregt, Kollegen aus ganz Österreich zu fragen, ob sie für eine Tätigkeit als Mentor zur Verfügung stehen und alle, die sich gemeldet haben, wurden in eine Liste aufgenommen. Also: Mentor wird man ganz allgemein dadurch, dass man sich bei seiner Berufsvertretung meldet und sich für eine solche Tätigkeit bereiterklärt.

Welche Eigenschaften muss ein Mentor mitbringen?

Mentor sein ist kein Geschäft oder Geschäftsmodell, ein Mentor bekommt grundsätzlich kein Honorar für seinen Einsatz. Im Gegenteil, er wird bereit sein, den Aufwand an Zeit für Gespräche – das ist der Hauptwert der Tätigkeit für den Beratenen, den man Mentoranden oder wie im Englischen als Mentee bezeichnet. Entscheidend sind die Charaktereigenschaften des Mentors. Er muss ehrliches Interesse und Freude daran haben, anderen Menschen zu helfen. Er braucht Einfühlungsvermögen, Geduld, Umsicht und muss seine Person zurücknehmen können. Wichtig ist ihm der Mentorand, der sich ihm anvertraut oder ihm – meist über Empfehlung – anvertraut wird.

Wie gestaltet sich die Beziehung Mentor/Mentorand?

Die Zeilen hier schreibe ich aus der Erfahrung mit etwa an einem knappen Dutzend Personen, allesamt natürlich beträchtlich jünger als ich, die ich im Lauf der letzten etwa fünfzehn Jahre über kürzere oder längere Zeiträume begleiten durfte. Zu Beginn wird der Mentor darauf achten, dass eine gute persönliche Beziehung entstehen kann. Er wird den Mentoranden zum Beispiel in sein Büro einladen und dort vielleicht später auch die meisten Treffen haben. Es kann von Vorteil sein, den Mentoranden zu bitten, Fragen vorzubereiten und diese – wenn möglich – auch vorab zu übermitteln. Mentoringbeziehungen können unterschiedliche Art und Tiefe entwickeln, es liegt an beiden, sie so zu gestalten, dass sie sich wohlfühlen.

Was darf sich ein Mentorand erwarten?

Wer sich an einen Mentor wendet, hat bestimmte Erwartungen, die er aber sehr oft selbst noch nicht artikulieren kann. Oder er kommt mit Absichten, über die er sich noch nicht recht im Klaren ist. Es liegt sehr stark am Mentor, dass er dem Mentoranden den Einstieg leicht macht. Etwa, indem er zuerst seine eigene Arbeits- und Erfahrungswelt in großen Umrissen schildert. Danach hat der Hilfesuchende wahrscheinlich ein deutlicheres Bild davon, was er sich von der gemeinsamen Zeit erwarten wird können. Ausgehend davon lassen sich die Ziele leichter festlegen, die im Lauf der Mentoringbeziehung erreicht werden sollen.

Wie läuft das Mentoring zeitlich ab?

Die Zeitplanung ist ganz unterschiedlich und hängt sehr davon ab, wie die Bedürfnisse der Mentoranden beschaffen sind. Sie kann sich auf zwei oder drei Treffen beschränken oder über einen längeren Zeitraum laufen. Klare Vereinbarungen sind notwendig. Wenn jemand aus einer unselbständigen Beschäftigung aus- in die Selbständigkeit eines Ziviltechnikers einsteigt, hat sich ein Zeitraum von eineinhalb Jahren gut bewährt. Man trifft sich alle drei Monate persönlich etwa für einen halben Tag. In der Zeit dazwischen ist der Mentor für seinen Schützling erreichbar, spontane Treffen sollten stets möglich sein.

Wie sieht es mit Verbindlichkeit und Verantwortung aus?

Ich halte wenig davon, dem Mentoranden Aufgaben zu geben oder ihm vorzuschreiben, was er wann und wie zu tun hat. Die notwendigen Schritte, die der Mentorand setzen wird müssen, ergeben sich meist aus den Gesprächen. Wenn er erkennt, dass die angesprochenen Maßnahmen richtig und wichtig sind, wird er sie selbst setzen. Aber auch das Wie und das Wann soll er selbst entscheiden, ausreichende Eigeninitiative muss er mitbringen. Der Mentor sollte sich auf Empfehlungen beschränken. Ich halte es für besser, jemanden zu ermutigen, Unangenehmes anzugehen, als ihn zur Rechenschaft zu verpflichten.

Wie geht man mit notwendigen Korrekturen um?

Es ist wichtig, dass der Mentor Dinge anspricht, die zu korrigieren sind oder die er sich Sorgen macht. Daher sollte schon zu Beginn der Beziehung abgeklärt werden, wie in solchen Fällen vorzugehen ist. Denn wenn der Zeitpunkt dafür kommt, sind schon beide darauf vorbereitet. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass solche „Eingriffe“ sehr selten notwendig sind. Und wenn, dann beziehe ich mich zuerst auf ähnliche eigene Erfahrungen und wie mir eine Änderung geholfen hat. Außerdem: Wer seine Mitmenschen mag und ausreichend Berufserfahrung, wird wohl stets das in solchen Fällen nötige Feingefühl aufbringen.

Wie vertraulich läuft des Mentoring ab?

Für jedes menschliche Miteinander gilt: Beziehungen sind eine Abfolge von Vereinbarungen! Wechselseitiges Vertrauen setzt voraus, dass diese Vereinbarungen eingehalten werden. Über geführte Gespräche und getroffene Vereinbarungen muss nach außen grundsätzlich Verschwiegenheit herrschen. Oder er wird ausgemacht, was weitergesagt werden darf. Das natürlich aus Rücksicht auf Gefühle, mehr noch aber in Vorbereitung auf das grundlegende Verhalten im künftigen Wirkungsfeld: Ziviltechniker unterliegen wie andere freie Berufe der Verschwiegenheitspflicht.

Wann ist eine Mentoringbeziehung zu Ende?

Mentoring ist keine dauernde Sache. Es ist dann zu Ende, wenn die vereinbarten Ziele erreicht sind. Das kann etwa dann sein, wenn der Mentorand den Berufseinstieg geschafft hat oder wenn er die ersten Aufträge erfolgreich abgewickelt hat. Es hat sich bewährt, einen gemeinsamen Schlusspunkt zu setzen, etwa durch ein gutes Mittagessen. Das Ende der Mentoringphase bedeutet aber meist nicht das Ende der Beziehung. Denn später trifft man sich beruflich. In manchen Fällen können dauerhafte Freundschaften entstehen. Und der eine oder andere Mentorand wird selbst Mentor.

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