Sonnek

Konflikt

Wieder einmal Sachverständigenprüfung. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um ein kollegiales Gespräch, in dem man vom möglicherweise künftigen Kollegen insofern einen Eindruck bekommt, ob er diesem von ihm erhofften neuen Aufgabengebiet gewachsen sein würde. In dem Fall klappt es leider nicht. – Wieder einmal wird mir schmerzlich bewusst, dass uns ein entscheidender Ausbildungsschritt fehlt. Einer, der einem Anwärter Grundlegendes über das Handwerk des Sachverständigen vermitteln kann und eine solide Brücke bildet zum Übergang vom reinem Fachexperten zu einem gefestigten Sachverständigen.

Der nette und umgängliche Kandidat heute ist gewiss ein echter und erfahrener Kenner seines Fachs. Aber die Kluft zum Sachverständigen ist einfach zu groß. Was ihm nicht bewusst war, ist der vielleicht nicht sofort erfassbare, aber bedeutende Unterschied, der nun einmal besteht zwischen gestandenen Fachleuten und voll aktionsfähigen Sachverständigen. Wer sich darauf verlässt, dass ein zweitägiger Kurs hauptsächlich juristischen Inhalts ausreicht, um den Sprung zu schaffen, landet ebenso hart auf dem Boden der Realität wie der nette Kandidat, von dem vorhin die Rede war.

Was war die Motivation, zur Prüfung anzutreten?

Erhebt sich die Frage, was ihn überhaupt bewogen hat, in diesem unzureichenden Kenntnis- und Wissensstand über Sachverständigenwesen und -tätigkeit zur Prüfung anzutreten. Bei der kurzen Begrüßung am Gang vor dem Gerichtssaal, der dann als Prüfungslokal diente, hat er kurz erwähnt, dass es in der Stadt an einigen von Mitbewerbern gebauten Anlagen zu katastrophalen Schäden gekommen sei. Einer davon sei aus den Schilderungen in den Regionalzeitungen hinlänglich bekannt. Die betroffene Firma nannte er namentlich. Dass mir die aus einem Gerichtfall bekannt ist, habe ich natürlich nicht erwähnt.

Minimalismus führt zum Scheitern

Er wolle mit solchen Vorfällen als Sachverständiger richtig umgehen können. Zur Prüfung meinte er, er wolle es halt probieren und schauen, wie weit er kommt. Diese recht unbekümmerte Einstellung des „probier’n ma s‘ halt mal“ als alleinige Vorbereitung ist erfahrungsgemäß ein verlässliches Rezept zum Scheitern. – Meine eigene Vorbereitung mit Erstellung der Prüfungsfragen für insgesamt vier Fachgebiete hat wahrscheinlich mehr Zeit erfordert, als der Kandidat für sein Ansuchen aufgewendet hat. Die handschriftlichen Eintragungen in das mir vom Gericht übermittelte Formular waren kaum leserlich.

Zur richtigen Prüfungsvorbereitung eines Kandidaten

Notwendig wäre eine Einführung in die Praxis mit ausreichend Sehen und Angreifen, das letztlich zum Begreifen führt. Nur wer einmal ein Gutachten versucht hat zu erstellen oder wenigstens das eines Sachverständigen in der Hand gehalten hat, weiß oder ahnt zumindest, was ein solches Ergebnis anstrengender Arbeit darstellt. Des Weiteren geht es nicht um bloßes Vorhandensein von Faktenwissen betreffend Sachverständigen-Tätigkeit, sondern genauso um Kenntnis von Vorgängen und Abläufen. Es geht um die Übernahme von Verantwortung, um Sorgfalt und um die Bereitschaft, für die eigene Tätigkeit jederzeit Rechenschaft abzulegen.

Fachwissen muss überdurchschnittlich sein

Natürlich spielt auch Fachwissen eine entscheidende Rolle. Aber es muss von überdurchschnittlicher Qualität sein. Und genau und präzise. Irgendwelche Aussagen ohne Begründung oder ohne Verweis auf gängige Fachliteratur oder relevante Regelwerke technischer oder rechtlicher Natur mögen für den Stammtisch ausreichen, nicht aber für die Arbeit bei und vor Gericht, auch nicht für die Prüfung. Außerdem ist das Vorhandensein von Fachwissen allein zu wenig, gefragt ist vielmehr die Kunst, dieses einem Laien verständlich nahebringen zu können.

Fazit

Von Sachverständigen darf man somit voraussetzen, dass sie exzellente Fachleute sind, die mit schwierigen Gerichtssachen souverän umgehen können. Gericht und beteiligte Parteien und ihre Vertreter müssen sich auch darauf verlassen können, dass Sachverständige nicht nur mit komplexen Sachverhalten gut zurechtkommen, sondern auch mit den Personen, die an der Rechtssache beteiligt sind, selbst wenn einige davon unter emotionalem Ausnahmezustand stehen. Daher nochmals mein Appell an alle Anwärter: Seien Sie sich bewusst, dass Sie in eine berufsähnliche Tätigkeit eintreten wollen, die an Ihre Persönlichkeit hohe Anforderungen stellt und sie verändern wird.

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