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„Zu den Auswirkungen der aktuellen …krise findet zurzeit in … eine Konferenz statt. Zur Frage, wie ernst die aktuelle Situation tatsächlich ist, wie sie sich auf unser Leben auswirken und welche Maßnahmen unverzüglich zu setzen wären, haben wir den Hauptredner, Herrn … in das Studio gebeten. Er arbeitet für die Organisation …, beschäftigt sich mit der Materie seit …  und wurde unlängst bekannt durch … “ So oder ähnlich könnte die Anmoderation eines Berichts in einer tagesaktuellen Sendung verlaufen. Die Botschaft hören wir an, vielleicht bleibt etwas davon hängen. Zu selten aber ist uns bewusst, wer hier spricht und warum.

Das wurde mir erst unlängst wieder einmal klar, als ich vermeinte, in einem Rundfunkbeitrag die gut begründete und wissenschaftlich neutrale Aussage von jemandem zu hören, der sich in der Materie wirklich auskennt. Die Einleitung zum Interview hatte eine entsprechende Erwartung aufkommen lassen. Allmählich wurde ich unsicher. Der Befragte bediente sich einiger Schlüsselwörter und Kampfbegriffe, die eine mit Wissenschaft vertraute Person nie verwenden würde. Ich hatte also jemanden vor mir, der eindeutig die Meinung einer bestimmten Lobby vertrat und diese auch mit viel Elan vortrug.

Meinungen sind oft einseitig und Fakten meist vielschichtig

Der schwedische Wissenschaftler Hans Rosling hat zusammen mit seinem Sohn Ola Rosling und seiner Schwiegertochter Anna Rosling Rönnlund das Buch „Factfulness“ geschrieben, das den Untertitel trägt „Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist“. Rosling – der leider 2017 viel zu früh gestorben ist – ist vor allem durch seine verblüffenden bewegten Blasendiagramme bekannt geworden, die er in TED-Talks präsentierte und die uns völlig neue Zusammenhänge über Tatsachen aufschlossen mit der Folge, dass unser gängiges Weltbild etliche Korrekturen erfuhr.

Wen haben wir vor uns? Experten oder „Experten“? Aktivisten oder Ideologen?

Rosling plädiert in seinem Buch eindringlich dafür, bei jeglichen Äußerungen wichtiger Personen nicht nur auf Inhalte zu achten, sondern auch auf die Rolle, in der diese Person auftritt. Besonders weist er auf die drei im Titel genannten hin: Experten, Aktivisten und Ideologen. Die ersten beiden knöpft er sich gleich einmal vor (Zitate aus der deutschen Ausgabe in kursiv):

Ich liebe Experten, aber auch sie haben ihre Beschränkungen. Zum einen, und das ist das Wichtigste, sind sie alle nur auf ihrem jeweiligen Fachgebiet Experten. Dies zuzugeben mag den Experten (und wir alle sind in irgendeiner Weise Experten) manchmal schwerfallen. Wir mögen das Gefühl, dass wir sachkundig sind, und wir freuen uns, wenn wir uns nützlich fühlen können. Wir haben gerne das Gefühl, dass unsere speziellen Kenntnisse oder Fähigkeiten uns zu einem besseren Menschen machen.

Jetzt nimmt Rosling die nächste Kategorie ins Visier, die Aktivisten:

Und manchmal sind „Experten“ nicht einmal auf ihrem Spezialgebiet wirkliche Experten. Viele Aktivisten stellen sich als Experten dar. Ich habe auf vielen politischen Konferenzen gesprochen, weil ich glaube, dass politische Aktivisten einen entscheidenden Beitrag leisten können für die Verbesserung der Welt. (…)

Nahezu alle politischen Aktivisten, die ich bisher kennengelernt habe, neigen dazu, ob absichtlich oder, was wahrscheinlicher ist, eher unbewusst, das Problem zu übertreiben, dessen Bekämpfung sie sich widmen. (…)

Es wurden Fortschritte erzielt auf den Gebieten der Menschenrechte, des Tierschutzes, der Frauenbildung, des Klimabewusstseins, der Katastrophenhilfe und in vielen anderen Bereichen, auf die politische Aktivisten die Aufmerksamkeit zu lenken versuchen, indem sie behaupten, dass sich die Verhältnisse verschlimmern würden. Diese Fortschritte sind natürlich zum Teil auch diesen Aktivisten zu verdanken. Dennoch könnten sie vielleicht sogar noch mehr erreichen, wenn sie sich nicht auf diese einzige Perspektive beschränken würden – wenn sie ein besseres Verständnis für die Fortschrotte entwickeln würden, die erzielt worden sind, und mehr Bereitschaft aufbringen würden, diese Fortschritte jenen Menschen zu vermitteln, die sie zum Engagement aufrufen möchten. Es kann motivierend sein, wenn man von Fortschritten und Verbesserungen erfährt, anstatt nur immer wieder an das Problem erinnert zu werden. UNICEF, Save the Children, Amnesty International und auch die Menschenrechts- und die Umweltbewegung vergeben diese Chance ein ums andere Mal.

Schließlich wendet sich Rosling auch an eine bestimmte Art von Vertretern politischer Ansichten, an die Ideologen:

Eine starke Idee kann Menschen vereinen wie nichts sonst und es uns ermöglichen, eine Gesellschaft zu errichten, wie wir sie uns erträumen. Die Ideologie hat uns die Demokratie und die staatliche Krankenversicherung gebracht.

Doch Ideologen können sich in ähnlicher Weise wie Experten oder Aktivisten auf ihre einzige Idee oder ihre einzige Lösung fixieren und damit sogar noch größeren Schaden anrichten.

Fazit

Gerade in Zusammenhang mit aktuellen medienfüllenden Themen sind die Mahnungen von Hans Rosling & Co äußerst wichtig. Probleme sind vielschichtig, nicht alles ist gleich eine Krise oder gar Katastrophe! Haben wir eine Pandemie, eine Epidemie oder eine Endemie? Sind Ungeimpfte eine Gefahr? Ist der Klimawandel allein eine Sache des CO2? – Jeder Standpunkt, der keine Diskussion mehr zulässt, führt in die Sackgasse. Das hat die Vergangenheit in vieler Hinsicht und sehr oft auf leidvolle Weise gezeigt. Es liegt an uns, Augen und Ohren zu öffnen, die Wahrheit zu suchen und gefundene Fakten nüchtern zu betrachten. Und bedeutsame Personen in der öffentlichen Debatte mit Wachsamkeit als das wahrzunehmen, was sie sind: Experten, Aktivisten oder Ideologen …

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