Sonnek

Stufen

In den letzten Beiträgen haben wir uns mit fachlicher Kompetenz von Sachverständigen beschäftigt und mit ihrer Bedeutung für das Selbstvertrauen. Wir haben gesehen, wie wichtig die richtige Selbsteinschätzung für das persönliche Fortkommen und den wirtschaftlichen Erfolg ist. Mit dem Dunning-Kruger-Effekt und dem Hochstapler-Syndrom haben wir zwei Fehlhaltungen kennengelernt, die Sachverständige unbedingt vermeiden müssen. Heute wollen wir uns mit den Kompetenzstufen auseinandersetzen, über die ein Sachverständiger auf dem Weg seiner Entwicklung zu einem reifen Experten aufsteigt.

Konkret geht es darum, dass einem werdenden Experten, heranreifenden Spezialisten oder Erfahrungen sammelnden Sachverständigen die eigene Kompetenz in ganz unterschiedlicher Weise bewusst ist und diese Kompetenz daher auch in ganz unterschiedlicher Weise genutzt wird. Es handelt sich dabei nicht um Stufen, denen Werturteile beigemessen werden sollen, sondern wie bereits erwähnt um Entwicklungsphasen, die fast notgedrungen jeder der genannten Personengruppen einmal durchlaufen muss. Es ist daher jedem Sachverständigen – um diese geht es hier ja in erster Linie – anzuraten, sich mit diesen einmal auseinanderzusetzen.

Unbewusste Inkompetenz

In der ersten Phase der Entwicklung ist sich die betreffende Person zwar bewusst, dass sie Neuland betritt, sie vertraut aber darauf, dass sie dafür gerüstet ist und ausreichend Wissen und Erfahrung besitzt. Ihr ist aber vielfach nicht bewusst, dass sie bei Weitem noch nicht dort ist, wo zu sein sie fest überzeugt ist. Im negativen Fall kann sie jetzt sogar zu einem Opfer des Dunning-Kruger-Effekts werden und der Täuschung anheimfallen, dass sie jeder Herausforderung gewachsen ist und man ihr nichts zu erzählen braucht. Die Selbstsicherheit erreicht ungeahnte Höhen. Die Wahrheit ist aber, dass der Person nicht bewusst ist, dass sie für ihre Aufgaben noch nicht ausreichend kompetent ist.

Bewusste Inkompetenz

Irgendwann kommt ein hoffentlich nicht böses Erwachen aus dem Traum der eigenen Unfehlbarkeit. Das schöne Bild der überragenden Kompetenz hat sich aufgelöst oder liegt sogar in Trümmern. Ein Augenblick der Wahrheit ist gekommen, sei es durch äußere Ereignisse, durch selbstverursachtes Scheitern oder schlichte Arroganz. Das Selbstbewusstsein stürzt jäh ab und erreicht einen absoluten Tiefpunkt, den man gut und gerne als Tal der Tränen bezeichnen könnte. Die eigenen Unzulänglichkeiten bieten Anlass für eine ausgiebige Selbstmitleidsparty. Der nüchterne Blick auf die Realität zeigt: Ich weiß, dass ich im Grunde genommen noch wenig weiß.

Bewusste Kompetenz

Langsam führt der Weg auf die nächste Stufe. Die Grenzen der eigenen Kompetenz werden jetzt bewusst ausgelotet und allmählich richtig eingeschätzt. Nüchternheit heißt auch hier das Gebot. Angemessene Selbstkritik und umsichtige Selbstführung helfen, den Blick auf reale Gegebenheiten zu schärfen. Jeweils geeignete Wissenswerkzeuge werden bewusst gewählt und überlegt eingesetzt, Aufgaben und Probleme werden zuerst von außen sachlich und schrittweise analysiert und bearbeitet. Das Tal der Tränen liegt jetzt schon eine geraume Weile zurück und das Selbstbewusstsein ist allmählich spürbar angestiegen. Die Arbeit macht Freude.

Unbewusste Kompetenz

In dieser höchsten Stufe landet derjenige, der sich stets nüchtern und sachlich mit Problemen beschäftigt. Er betrachtet jetzt Probleme und Aufgaben nicht mehr von außen, sondern begibt sich gewissermaßen gedanklich und auch emotional in das Problem oder die Aufgabe hinein. Dort sieht er sich um und wartet auf die Eindrücke und Gedanken, die ihm dabei kommen. Er vermeidet den routinierten Einsatz starrer Methoden und verlässt sich verstärkt auf seine Intuition. Seine Kompetenz ist ihm gar nicht mehr bewusst, er hat so umfassende Einsicht in Dinge und Zusammenhänge, dass er selbstbewusst, unaufgeregt und entspannt durchs Arbeitsleben gehen kann.

Fazit

Gewiss handelt es sich bei den vier Stadien, die ich hier dargestellt habe, um Stereotype, also um Vorstellungsbilder, die sehr vereinfachend Personen oder Sachverhalte beschreiben. Dennoch bilden diese Stadien einen Gradmesser für jeden Sachverständigen, der seinen Status richtig einschätzen und seine Persönlichkeit weiterentwickeln will. In meinen Augen besteht beruflicher Erfolg letztlich darin, dass die eigene Person möglichst wenig, der Auftraggeber und seine Herausforderungen umso mehr im Mittelpunkt stehen. Wer sich in sich selbst ruhend nicht wichtig nimmt und nicht nach Anerkennung heischen muss, wird als Partner hochgeschätzt.

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