Sonnek

Befund

Hin und wieder landen Gutachten anderer Sachverständiger auf meinem Schreibtisch, mit denen ich mich eingehend befassen muss. Zum Beispiel, weil es zu einem Gerichtsakt gehört. Oder aber ein Gutachter-Kollege lässt mir eines zukommen, um mich in einer Sache zu informieren, zu der er mich beiziehen will. Manchmal lässt mich ein Einsteiger in das Sachverständigen-„Handwerk“ sein Erstlingswerk Einsicht nehmen, um meine Meinung dazu zu erfahren. Eingehend ist auch die Beschäftigung mit einem Subgutachten, weil das Ergebnis der Arbeit eines Kollegen für mein eigenes Gutachten von Bedeutung ist.

Das Studium fremder Gutachten kann für Sachverständige interessant und lehrreich sein. Denn erstens gilt es, den Inhalt zu erfassen und zu verstehen, was zugleich einer Kontrolle der Nachvollziehbarkeit entspricht. Der Inhalt sollte auf eine Weise verfasst sein, dass er für einen Laien verständlich ist. Vor allem sollte das Ergebnis so klar und deutlich dargelegt sein, dass keine Nachfragen mehr erforderlich sind. In zweiter Linie werden Äußerlichkeiten wie Gestaltung, Gliederung und Lesbarkeit ins Auge stechen. Ich persönlich bin in solchen Studien fremder Gutachten stets auf der Suche nach Anregungen für Verbesserungen an meinen eigenen Ausarbeitungen.

Vertiefte Qualitätsbeurteilung

Was ich in einem weiteren Schritt versuche, ist eine vertiefte Prüfung der Qualität des Gutachtes. Schließen wir den schlechten Fall aus, dass noch Fragen offengeblieben wären. Setzen wir den besten Fall voraus, dass die Aussagen des Gutachtens klar und deutlich sind. Nehmen wir auch an, dass auch das äußerliche Erscheinungsbild einen positiven Eindruck vermittelt hat. So weit, so gut. Aber: Die dargestellten Schritte reichen in meinen Augen noch nicht aus, um daraus so etwas wie eine vollständige Qualitätsbeurteilung für ein Gutachten ableiten zu können. Warum das so ist, will ich kurz erklären.

Der Sinn eines Gutachtens

Der Sinn eines Gutachtens besteht darin, eine oder mehrere Fragen zu beantworten, die das Gericht oder ein privater Auftraggeber dem Sachverständigen eines bestimmten Fachgebiets stellen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, und das genau und präzise. Der Auftraggeber stellt Fragen, die er selbst nicht beantworten kann, da ihm dazu die Expertise fehlt. Oder er besitzt wohl die nötige Expertise, will aber trotzdem die Meinung eines Unabhängigen hören (oder lesen). Diese Fragen des Auftraggebers sind der Kern der Aufgabenstellung an den Sachverständigen. Diese Fragen darf er während der Auftragserledigung niemals aus dem Auge verlieren.

Auf Kurs bleiben

Will ein Sachverständiger erfolgreich arbeiten, muss er das Ziel auch wirklich kennen, auf das er zuarbeitet. Zentrale Voraussetzung dafür ist, dass eine klare, eindeutige und verständliche Aufgabenstellung vorliegt. Erst dann darf ein Sachverständiger mit seiner Arbeit beginnen. Sollte diese Aufgabenstellung nicht eindeutig oder für den Sachverständigen nicht klar eingegrenzt sein, muss er die Initiative ergreifen und den Auftraggeber um Klärung ersuchen. Das wird bei Gericht zumeist einfach sein. Bei Unklarheiten oft schwieriger sind Privataufträge, wenn der Sachverständige den Auftraggeber darin unterstützen muss, die richtigen Absichten zu definieren und dazu passende Formulierungen zu finden.

Umwege kosten Geld

Ein Sachverständiger unterliegt bestimmten Gefahren, die ihn von der Verfolgung eines geraden Lösungswegs abhalten können: Techniker etwa neigen dazu, ihre Schritte durch das Einschmuggeln von Eigeninteressen abzubremsen, wenn etwas „sooo interessant wird, das unbedingt in Betracht gezogen werden muss …“ Derlei Umwege können viel Zeit verschlingen. Dasselbe gilt für vermeintliche Abkürzungen, die gar in Sackgassen enden. Das alles resultiert in Zeitverlust und verursacht unnötige Eigenkosten, die am Ende niemand bezahlt. Ein extremes Ergebnis solchen Abirrens wäre eine Themenverfehlung, die eine Zurückweisung des Gutachtens zur Folge hätte, verbunden mit völligem Honorarverlust.

Weniger ist mehr

Die Sicht, dass Sinn eines Gutachtens im Gesamten darin besteht, Fragen ohne Umschweife so direkt wie möglich zu beantworten, hat eine logische Konsequenz: Jeder Teil, ja jede Äußerung im Gutachten muss sich den Test gefallen lassen, ob und wie weit sie für die Beantwortung der Frage aus dem Auftrag dienlich und notwendig sind. Das mag dann nicht einfach sein, wenn sich beispielsweise Dinge anbieten, die das „Herzblut“ – sprich die fachliche Kernkompetenz – des Sachverständigen betreffen, die so schön zu sagen gewesen wären, aber bei genauem Hinschauen nichts mit der zu beantwortenden Frage zu tun haben. Weniger ist mehr! Nochmals gesagt, aber in anderen Worten: Fragen fachkundig fundiert mit möglichst wenigen Worten genau und präzise beantworten – das ist der Sinn eines Gutachtens.

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