Sonnek

Adler

Der Gerichtstermin ist aus meiner Sicht gut und sachlich verlaufen. Allerdings war die Dauer mit über sieben Stunden doch etwas ungewöhnlich. So ist es bereits nach 20 Uhr, als ich das Gerichtsgebäude verlasse. Der Gang durch ein leeres, stilles und dunkles Gebäude auf der Suche nach Lichttastern wirkte irgendwie entspannend. An der Sicherheitssperre gilt es, den richtigen Knopf zu finden, um durch die Personenschleuse zu kommen. Der Taster zur Ausgangstür ist auch leicht zu entdecken. Endlich ist die FFP-Maske weg. Draußen ist es sehr kühl, die Stadt ist fast menschenleer – ach ja, es ist immer noch Lockdown.

Tja, der Lockdown. Die Pandemiezeit. Inzwischen ist die Maske fast schon zum Körperteil geworden. Doch diesmal haben sich die Anforderungen des Gerichts nicht auf den Gesichtsschutz, das Fiebermessen am Einlass und die obligaten Plexiglas-Wände im Gerichtssaal beschränkt. Nein, allen Geladenen wurde aufgetragen, sich am Vormittag vor der Verhandlung einem Covid-Test zu unterziehen verbunden mit dem Hinweis, nur bei negativem Ergebnis zu erscheinen. Was vermutlich auch alle brav gemacht haben. Kontrolliert hat es niemand. Die acht Zeugen waren bemüht, sich im engen Ambiente vor dem Verhandlungssaal nicht allzu nahe zu kommen.

Einstieg in die Verhandlung

Die Beklagten, die sich am deutlichsten einer Risikogruppe zugehörig erklärt hatten, waren erst gar nicht erschienen, also nicht körperlich. Wohl aber konnte ihre Vernehmung über Zoom (oder eine ähnliche Plattform) stattfinden. Allerdings erst nach einem längeren Vorgeplänkel, um verschiedene Sichtweisen, mit notwendigen Klarstellungen, mühsamen Abgleichungen und letztlich hart errungenen Vereinbarungen. Und natürlich erst nach Behebung technischer Unzulänglichkeiten durch ein telefonisch herbeordertes Faktotum. Die acht erschienenen Zeugen harrten derweil des Moments, in dem sie aufgerufen werden würden.

Vorbereitung des Sachverständigen

Wie stellt sich die Situation aus der Sicht des Gutachters dar? Eine örtliche Befundaufnahme zur Erfassung der Mängelbehauptungen hatte bereits stattgefunden. Der Befund liegt vor. Die Vernehmungen sollen vertiefende Erkenntnisse liefern. Das verlangt vom Sachverständigen entsprechende Vorbereitung, also: Nochmaliges „Durchackern“ des Gerichtsakts auf der Suche nach Sachverhalten, die bislang vielleicht nicht oder zu wenig beachtet worden sind; Studium der Stellungnahmen, die zum Befund vorliegen; Herausfiltern der Rollen, die die einzelnen Zeugen ausgefüllt haben; Überlegen, welche Informationen sie noch liefern können.

Alles braucht seine Zeit

Vorgespräche und Vernehmungen dauern natürlich. Und erfordern vom Sachverständigen ständige Aufmerksamkeit, denn oft sind es kurze Zwischenfragen, die wertvolle Informationen bringen. Anstrengung empfinde ich dabei nur körperlich, das Atmen durch die Maske ist nicht das Problem, eher ist es das lange Festgenagelt-Sein auf einer Sitzgelegenheit. Man kann hier nicht einfach aufstehen und sich durchstrecken oder ein paar Kniebeugen machen, wie das im Büro leicht möglich ist. Oder überhaupt gleich den Schreibtisch höherstellen und eine Stunde stehend arbeiten. Aber vielleicht kommt das irgendwann noch. Wenigstens für eine einzige kurze Pausen-Viertelstunde war im engen Zeitkorsett Platz.

Informelles und Hintergründe erfahren

Nach den Vernehmungen der Parteien ist der für die Verhandlung vorgesehene Zeitraum beinahe schon verbraucht, die Vernehmung von drei der acht Zeugen erfordert dann nochmals etwa zwei Stunden. Immerhin empfinde ich die Resultate daraus als aufschlussreich. In einer Vernehmung bekomme ich auch mit, wie es auf einer Baustelle zuging, welche menschlichen Probleme oder Konflikte in der Beziehung zwischen Auftraggeber und ausführendem Unternehmen aufgetreten sind und dass es halt oft bestimmte Situationen oder gar nur Augenblicke sind, die das Fass zum Überlaufen bringen.

Es wird weitergehen

Irgendwann ist Schluss, für die Vernehmung der restlichen Zeugen muss ein zusätzlicher Termin gefunden werden, was auch recht rasch gelingt. Meine Notizen raffe ich zusammen, ich werde sie mir am nächsten Tag nochmals durchsehen und sie in eine geordnete Reihenfolge bringen. Wichtig wird sein, in den nächsten Stunden etwas Zeit zum Rekapitulieren zu finden, hohe Konzentration fordert nach Entspannung und Verarbeitung des Erlebten. Das wird mir mit zunehmendem Alter immer wichtiger. Aber vorerst rein in den Mantel, Hut auf und ab durch die dunklen Gänge …

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