Sonnek

Vergleiche

05.02.2021
Konflikt

Und gleich die nächste Gerichtsverhandlung in Corona-Zeiten, wieder im Landesgericht. Was auf dem Weg dorthin auffällt: Manche Leute laufen auf offener Straße mit FFP2-Masken herum. In Innenräumen öffentlicher Gebäude sind sie Pflicht. Ich halte das für maßlos überzogen. Ich bin auch Sicherheitsfachkraft und nach wie vor der Ansicht, dass solche Dinger nur mit Bedacht und aus gutem Grund aufgesetzt werden sollten, etwa auf Arbeitsplätzen mit hoher Belastung durch Staub gefährlicher Stoffe. Niemand mit Verstand wäre früher auf die Idee gekommen, die Masken gleich oben zu lassen, wenn er danach auf die Straße geht.

Gewiss ist Covid-19 in seiner Gefährlichkeit nicht zu unterschätzen, als Angehöriger einer Risikogruppe möchte ich diese Erkrankung nicht haben. Aber wir sollten alle miteinander genug Eigenverantwortung besitzen, um bezüglich eines korrekten Verhaltens in dieser Zeit nicht auf staatliche Bevormundung angewiesen zu sein. Vom Staat wünsche ich mir keine Panikmache mit Überregulierungen, sondern bloß Unterstützung von Fachleuten, die uns nicht nur zeigen, wie man sich schützt, sondern wie gesundheitliche Vorbeugung aussieht, die unser Immunsystem stärkt. Und die von vornherein auf den Lockdown-Holzhammer verzichtet.

Gürtel und zwei Hosenträger

Aber genug der Meinungsbekundung. Zurück zum Titelthema „Vergleiche“, das nicht auf frühere Zeiten bezogen gemeint ist, sondern auf die so bezeichneten Verfahren aus der Rechtspraxis. Damit zurück zur Gerichtsverhandlung. (Dort wurde auf die Ladung von Parteien verzichtet, die der Risikogruppe angehören. Bei Bedarf könnten diese über Video zugeschaltet werden, wovon aber diesmal kein Gebrauch gemacht werden musste. Wir sitzen alle den Sicherheitsabstand voneinander entfernt, haben noch dazu Stellwände aus Plexiglas zwischen uns und tragen überdies die unvermeidlichen FFP2-Masken. Wir sind so gesehen mit Gürtel und zwei Hosenträgern gegen den Virus abgesichert.)

Wer startet den Versuch?

Ein Vergleichsversuch ist soviel ich weiß Teil eines jeden Verfahren vor einem Zivilgericht, so auch hier. Nach den formal bedingten Erörterungen und Klärungen und einem Beitrag des Sachverständigen über seine Sicht der Dinge startet diesmal der Klagsvertreter einen Vergleichsversuch, nicht geradeheraus, sondern eher beifällig gesprächsweise seine Forderungen schrittweise ein wenig reduzierend. Der Beklagtenvertreter verhält sich den Ansinnen der Gegenseite gegenüber zaghaft-defensiv. Er sieht sich außerstande, seinerseits einen Gegenvorschlag zu machen oder will seine Karten vorerst nicht aufdecken.

Nachdenkpause

Was vom Vergleichsversuch vorerst bleibt, ist eine Frist, in der die Parteien weiter nachdenken wollen. Diese endet mit dem nächsten Verhandlungstermin, der ebenfalls einvernehmlich festgelegt wird. Damit unterscheidet sich das Verfahren von dem vor einer Woche. Damals hat sich der Beklagtenvertreter von vornherein gegen einen Vergleich ausgesprochen, obwohl aus meiner Sicht dies ein guter Weg für den Beklagten gewesen wäre, noch ein paar Erleichterungen herauszuschlagen und dann zum Ende zu kommen. Über die Motive der Sinnhaftigkeit des Weitertuns kann man in diesem Fall rätseln.

Parteien am Wort

Natürlich kann der Anreiz zum Weiterführen ein geschäftlicher sein, und zwar dann, wenn sich der Anwalt einen Nutzen aus einer langen Verfahrensdauer verspricht. Das soll in diesem Zusammenhang nicht unterstellt werden. Im geschilderten Fall schien der Beklagte allerdings von Haus aus nicht stark genug, um seinen Advokaten irgendwie zu beeinflussen. Ich habe aber schon mehrmals erlebt, dass eine Partei an ihrem Vertreter vorbei und gegen dessen Willen einem Vergleichsvorschlag zugestimmt hat. Unmut oder Enttäuschung des Anwalts waren meistens unverkennbar. Es ist auch schon vorgekommen, dass Parteienvertreter erbost über einen erfolgreichen richterlichen Vergleichsversuch waren.

Lautstarker Protest

Den Fall eines besonders dramatischen rechtsanwaltlichen Abgangs habe ich gleich zu Beginn meiner Sachverständigen-Laufbahn erlebt. Als der Richter in seinem Vergleichsversuch am Anwalt vorbei die Zustimmung des Klägers erhielt, war der Rechtsvertreter äußerst erregt. Zum Ende der Verhandlung stand der auf, hob seinen Aktenkoffer hoch und knallte ihn auf den Tisch vor sich. Mit hochrotem Kopf brüllte er in den Raum: „Ein Richter der Vergleiche spricht, erfüllt das Amt des Richters nicht!“ Er schnappte sich den Koffer, drehte sich ruckartig um und verließ grußlos den Verhandlungsaal. Der Richter sah ihm wortlos nach, zuckte seine Achseln und schloss die Aktenmappe.

Ratschlag an Streitparteien

Mit mehr als zwei Jahrzehnten als Sachverständiger bei Gericht am Buckel fühle ich mich kompetent genug, um künftigen Kontrahenten Ratschläge mitzugeben. Ich habe zu viele Verfahren erlebt, die letztlich nur darauf hinauslaufen konnten, beide Parteien gleich unzufrieden oder gleich enttäuscht weggehen zu lassen. Mein erster und einziger Appell lautet deshalb: Streiten Sie nicht, schon gar nicht vor Gericht! Soll heißen: Lassen Sie es möglichst nie so weit kommen, dass Sie sich wegen einer Streiterei vor Gericht wiedersehen. Schon gar nicht vor einem Bezirksgericht. Erst recht dann, wenn‘s um eher niedrige Geldbeträge geht. Oft ist es besser, auf im Grunde genommen nicht wirklich schmerzhafte Forderungen zu verzichten, allein schon, um das eigene Nervenkostüm faltenfrei zu halten …

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