Sonnek

Wert

Picasso saß einmal in einem Park. Eine Frau sah ihn und fragte, ob er ihr ein Porträt zeichnen könne. Picasso stimmte zu, stellte es fertig, gab es ihr und sagte: “Das macht 5.000 Dollar.” Die Frau war verwirrt: “Aber Sie haben nur 5 Minuten gebraucht.” Darauf Picasso: “Nein, ich habe mein ganzes Leben gebraucht.” – Picasso ist in guter Gesellschaft insofern, als jeder von uns ein Leben lang gebraucht hat, um all das zu können, was er jetzt kann, und das ist nicht zynisch gemeint. Was uns üblicherweise aber fehlt – behaupte ich – sind das Selbstbewusstsein und die Lockerheit Picassos, mit der er den Wert seiner Kunst darstellt.

Meine Behauptung zielt auf die Arbeit und die Entlohnung eines Sachverständigen. Was ein gut eingeführter und sorgfältig werkender Sachverständiger in einem Gutachten äußert, baut auf jahrzehntelanger Erfahrung auf, die er sich in seinem Berufsleben redlich erworben und in einer strengen Prüfung nachzuweisen hatte. Zudem ist er verpflichtet, Wissen und Können auf dem letzten Stand seines Fachgebiets zu halten. Natürlich ist seine Tätigkeit nach außen hin weniger glamourös als die eines weltbekannten malenden oder bildenden Künstlers, aber auch die Gutachtenserstellung ist für sich gesehen eine Art Kunst.

Wenn der Wert der Leistung angezweifelt wird …

So gesehen ist der Sachverständige in seiner fachlichen und sachbezogenen Tätigkeit in höchstem Maße sattelfest, verantwortungsbewusst und selbstsicher. Woran es aber in meinen Augen erstaunlich oft hapert, ist Selbstbewusstsein dann, wenn der Wert der Arbeit bestritten wird. Da kommt es doch des Öfteren vor, dass in einem Gerichtsfall ein parteienvertretender Rechtsanwalt eine Honorarnote als überhöht beanstandet und allen Ernstes auf ein Drittel kürzen will mit der Begründung, der Sachverständige habe keinen Beleg dafür geliefert, dass er den verrechneten Tarif auch in außergerichtlicher Tätigkeit erziele.

… braucht es selbstbewusste Gelassenheit!

Das Gericht bittet den Sachverständigen um eine Stellungnahme dazu. Der wiederum wird seiner Buchhaltung einige Honorarnoten aus abgeschlossenen Privataufträgen entnehmen, und zwar solche, mit denen er seinen üblichen und in der freien Wirtschaft erzielten Stundentarif beweisen kann. Er sendet das ganze Konvolut an das Gericht samt Begleitschreiben mit dem Hinweis, dass seine dem Gericht verrechneten Tarife eh um zwanzig Prozent darunter liegen. Wenn das Gericht noch dazu sehr pingelig ist oder gar eine der Parteien Rechtshilfe genießt, ist fast immer ein Revisor im Spiel, und für den müssen vielleicht auch noch die Zahlungseingänge nachgewiesen werden …

Nachweise werden respektiert

Insgesamt ist das alles ein mühsames Verfahren, das Einiges an Zurückhaltung und Gelassenheit erfordert. Denn allzu schnell kann man sich provoziert fühlen. Fairerweise muss man immerhin anmerken, dass sattelfeste Nachweise eines hohen außergerichtlichen Stundentarifs vom Gericht problemlos anerkannt werden. Das ist wiederum für die Parteienvertreter manchmal unangenehm. Vor allem dann, wenn einer von ihnen nach genauem Studium der Gebührennote leicht angerührt halblaut darauf hinweist, dass dieser Sachverständige ja mehr bezahlt bekommt als er als Anwalt. Bevorzugte Antwort auf solch eine Bemerkung: „Das ist aber jetzt nicht mein Problem …“

Sich nicht begrenzen lassen

Sobald unter Kollegen die Rede auf diese Zusammenhänge kommt, lauten die zentralen Fragen in dem allen meistens so: „Wie komme ich zuerst einmal überhaupt zu höheren Stundentarifen? Die Gebührengesetze und vielleicht andere Bestimmungen geben doch grundsätzlich ganz konkrete Werte für Obergrenzen vor, da kann ich doch allein schon deswegen nicht mehr verrechnen, oder?“ – Die Antwort auf die letzte Frage: „Doch, das geht.“ Die erste ganz praktische Frage lässt sich auch ganz praktisch so beantworten: Indem man sichergeht, dass man im außergerichtlichen Bereich auch wirklich angemessen hohe Stundentarife verrechnet und auch bezahlt bekommt.

Logische nächste Frage: „Wie soll das gehen?“

Ich hab‘ zwar keine Patentrezepte dazu, kann aber mit ein paar Gedanken und Denkanstößen dienen. Manche davon habe ich aufgeschnappt. Eins vorweg: Höhere Stundentarife sind nicht mit irgendwelchen Tricks oder Abkürzungen zu erreichen, auch wenn das, was jetzt kommt, so erscheinen mag. Im Gegenteil braucht es dazu bedingungslose Ehrlichkeit zu sich selber und in der Folge auch zu Geschäftspartnern. Und eine Portion Mut und die Bereitschaft, im eigenen Leben Neuland zu betreten. Warnung: Alles braucht seine Zeit. Und es geht nicht um schnellen Reichtum, sondern um die Steigerung des Werts unserer Arbeit.

Wertbewusstsein braucht Entwicklung

Damit kommen wir auf Picasso zurück. Die Frau in unserer Geschichte bemisst den Wert der Zeichnung ausschließlich nach dem zeitlichen Aufwand des Künstlers, also nach dem „Input“. Nicht bewusst ist ihr der Wert des „Outputs“, des Originals, das sie nun in Händen hält.  Dieser wird im Beispiel zumindest emotionaler Art sein und sehr wahrscheinlich auch materieller Art, wenn sie die Zeichnung später zu einem wesentlich höheren Preis verkaufen kann. Allerdings muss der Dame in irgendeiner Weise der Wert erst bewusst gemacht werden, entweder durch den Künstler selbst, durch einen Dritten oder durch eigene Erkenntnis.

Das gilt auch für Sachverständige!

Bei Gericht wird die Leistung des Sachverständigen nach seinem Aufwand an benötigten Stunden berechnet, bewertet wird also der „Input“. Das entspricht den erwähnten 5 Minuten des Meisters. Was aber für den Kunden genauso Bedeutung hat oder zumindest haben sollte, ist der „Output“, also der Nutzen, den er von der Arbeit bekommt. Bei Picasso entspricht das dem Portrait, beim Sachverständigen entspricht das dem Gutachten. Aber auch hier braucht es jemanden, der den Wert des Outputs bewusst machen muss. Das Gericht wird das nicht tun. Vermutlich auch sonst keiner außer dem Sachverständigen selbst.

Überzeugungsarbeit beginnt bei eigener Person

Mit der geforderten Überzeugungsarbeit muss er außerdem bei sich selber anfangen und nicht bei den Auftraggebern. In diesem Blog wurde schon mehrmals auf folgende Wahrheit hingewiesen: Ich kann für meine Arbeit nur den Preis erzielen, den ich selbst für gerechtfertigt halte. Auch eine Preiserhöhung muss ich vor mir selbst rechtfertigen können. Aus meiner Erfahrung ist ein außergewöhnlicher Preissprung nach oben am ehesten dann angebracht, wenn ich zuvor eine außergewöhnliche berufliche Herausforderung erfolgreich meistern konnte, die noch dazu gut honoriert wurde. Erfolgserlebnisse beflügeln!

Besondere Gelegenheiten erkennen und ergreifen

Diese besonderen Herausforderungen können übrigens nicht nur den beruflichen Erfolg, sondern überhaupt den weiteren Lebensweg prägen. Winston Churchill hat einmal gesagt: „Für jeden gibt es in seinem Leben einen besonderen Moment, in dem ihm bildlich gesprochen auf die Schulter geklopft wird und sich die Möglichkeit bietet, etwas ganz Besonderes zu tun, das für ihn einzigartig und seinen Talenten angepasst ist. Was für eine Tragödie, wenn er in diesem Moment nicht darauf vorbereitet oder ungeeignet ist für das, was seine schönste Stunde hätte sein können.“*

Regelmäßige Anpassung nach oben

Doch wir brauchen gar nicht auf die besonderen Momente zu warten. Wer seine fachlichen und sozialen Kompetenzen bewusst und gezielt ständig weiterentwickelt und angewendet hat, besitzt ohnehin schon eine solide Grundlage für höheres Einkommen. Nur muss er sich diese fast zwangsläufige Steigerung der Fähigkeiten wenigstens von Zeit zu Zeit bewusst machen und in Verdienststeigerungen ummünzen. Ich musste einen sehr hohen Stundentarif für einen schwierigen Einsatz mir selber regelrecht „verkaufen“, bevor ich ihn dem Kunden mitgeteilt habe. Den hat dann der Tarif gar nicht, das Arbeitsergebnis später sehr wohl interessiert.

Fazit

Meine Botschaft ist die: Ein regelmäßiger Ausbau der Fähigkeiten auf Grundlage von vorhandenen Talenten zieht in ihrem Windschatten auch eine regelmäßige Preispflege nach sich. Außergewöhnliche Herausforderungen und deren erfolgreiche Bewältigung können Anstoß zu höheren Preissprüngen sein. Das wichtigste ist aber die unbeirrbare innere Überzeugung und Sicherheit, dass ein hoher Tarif gerechtfertigt ist, weil er angemessen und gut begründet ist. Und dass eine Honorarnote so locker übergeben werden kann wie eine Skizze von Picasso …

*) “To each there comes in their lifetime a special moment when they are figuratively tapped on the shoulder and offered the chance to do a very special thing, unique to them and fitted to their talents. What a tragedy if that moment finds them unprepared or unqualified for that which could have been their finest hour.”

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