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Ingenieurbüros können in Österreich auf gewerblicher Basis oder freiberuflich als Ziviltechniker betrieben werden. Die ersten sind in Fachgruppen der Wirtschaftskammern zusammengefasst, die zweiten in Ziviltechnikerkammern. Beide Arten haben annähernd gleiche Befugnisse und Arbeitsfelder. Für den Berufszugang muss der Ziviltechniker ein technisches oder naturwissenschaftliches Studium auf universitärem Niveau nachweisen, für das Gewerbe genügt der Abschluss einer Höheren Technischen Lehranstalt (HTL). Die Ziviltechniker betreffend gibt es aber aus meiner Sicht einige Besonderheiten.

Persönlich kenne ich beide Welten sehr gut und aus eigener Erfahrung: Seit 1974 als Mitglied der Geschäftsführung eines Technischen Büros (gewerblichen Ingenieurbüros) für Wärmetechnik, Maschinenbau und Elektrotechnik, seit 1983 als Zivilingenieur für Maschinenbau. Das Technische Büro hat mein Vater 1964 gegründet, ich bin in dieses eingestiegen und habe es später übernommen. Das Ingenieurbüro hat hauptsächlich gebäudetechnische Planungen durchgeführt aber auch einige technische Anlagen und Produkte entwickelt, die im eigenen Betrieb erzeugt wurden.

Andere Zeiten

Das waren aber noch andere Zeiten. Eine derartige Konstellation – ein gewerbliches Ingenieurbüro betreiben und zugleich Zivilingenieur im selben Fachbereich zu sein – ist seit Eintritt Österreichs in die EU im Jahre 1994 nicht mehr möglich. Zudem bin ich noch Zivilingenieur „alter Prägung“, dem auch die Herstellung von Produkten erlaubt ist. Ich habe also etwas wie eine „Maria-Theresien-Konzession“ für den gesamten Maschinenbaubereich. So dürfte ich beispielsweise Autos oder Flugzeuge bauen oder Möbel oder Heizungsanlagen. Ein Recht, das ich aber als Ziviltechniker nie in Anspruch genommen habe. Heute ist einem Ziviltechniker die ausführende Tätigkeit im gleichen Fachgebiet verboten.

Person öffentlichen Vertrauens

Worin liegen für mich die Unterschiede zwischen dem Inhaber eines gewerblichen Ingenieurbüros und einem freiberuflich tätigen Ziviltechniker? Die Antwort ganz platt gesagt: Im ersten Fall hat jemand ein gewerbliches Ingenieurbüro, im zweiten Fall ist jemand freiberuflicher Ziviltechniker. Das heißt, im Vordergrund steht im letzten Fall die Persönlichkeit, nicht das Unternehmen. Zudem ist ein Ziviltechniker eine mit öffentlichem Vertrauen ausgestattete Person, die einen Eid ablegen musste und als Zeichen des Vertrauens zu seinem Namen das Staatswappen führen darf, ein Privileg, das auch einen öffentlichen Notar auszeichnet.

Vertrauenswirtschaft

Ein Ziviltechniker ist somit ein Teil dessen, was ich hier als Vertrauenswirtschaft bezeichne. Damit fasse ich alle Freiberufler und Selbstständigen zusammen, die von ihren Klienten einen hohen Vertrauensvorschuss bekommen, wie eben Notare, aber auch Ärzte, Rechtsanwälte, Sachverständige, Berater und andere. Wobei das angesprochene Vertrauen im Fall eines Ziviltechnikers keine leere Floskel darstellt, denn der Berufsgruppe ist in ihren Standesregeln eine sehr strenge Rechenschaftspflicht auferlegt.

Standesdisziplin

Nun hat fast jede Gruppe von Freiberuflern oder Selbstständigen ihre Standesregeln, die Frage ist nur, wie sehr deren Einhaltung tatsächlich eingefordert wird. Bei Ziviltechnikern gibt es im Rahmen der Standesvertretung sehr strenge, von Richtern geführte Disziplinarausschüsse. Schon kleine Unklarheiten oder Meinungsverschiedenheiten können zu Fällen für ein Disziplinarverfahren werden, wobei es hier grundsätzlich kein Ansehen der Person gibt: Sowohl ein Neuling kann betroffen sein, aber auch ein als Ziviltechniker tätiger Universitätsprofessor muss gegebenenfalls vor dem Ausschuss erscheinen. Ich war viele Jahre in derartigen Ausschüssen tätig und kann bezeugen, dass von dort aus zwar sehr selten eingegriffen werden muss, dann aber konsequent, sorgfältig und wenn notwendig rigoros gehandelt wird.

Nüchterne Selbstsicht

Zum äußeren Rahmen der Korrektheit kommt noch die Tatsache, dass Techniker und Naturwissenschaftler von Haus aus sehr genaues Arbeiten gewohnt sind, ja in ihrer Mehrzahl der eigenen Leistung äußerst gewissenhaft, fast skrupulös gegenüberstehen. Das ist auch notwendig, denn wenn etwa das Ergebnis einer Planung nicht korrekt ist, können in der Realisierung eines Werkes gravierende Probleme auftreten. Die Folge ist, dass Techniker eine eher nüchterne und tendenziell selbstkritische Selbstsicht haben. In der Ziviltechnikerschaft sind daher Stars oder ausgeprägte Selbstdarsteller selten und würden auch nicht weiter beachtet.

Gelebte Kollegialität

Die Nüchternheit und das weitgehende Fehlen von Positionierungs- oder Rangkämpfen erleichtern den Umgang unter Kollegen enorm. Ich selbst habe unter Ziviltechnikern immer wieder große gegenseitige Hilfsbereitschaft erlebt, was dazu geführt hat, dass ich selber gerne anderen Hilfe anbiete, wenn sie diese benötigen. In meinen Augen bestehen damit von Grund auf ein positives soziales Klima, gute Kameradschaft und Rücksichtnahme. Das wird auch dann nicht getrübt, wenn wir – was natürlich auch oft der Fall ist – untereinander im Wettbewerb um Kunden und Aufträge stehen.

Alternative für unselbstständige Führungskräfte

Zudem sehe ich in der Wahl einer Laufbahn als freiberuflicher Ziviltechniker paradoxerweise gerade in einer unsicheren Zeit wie heute eine gute Wahl für Neueinsteiger. Dies vor allem für solche, die bereits als Unselbstständige hohe Verantwortung in führender Position zu tragen gewohnt sind, aber erkennen, dass ein bestimmten Zwängen ausgesetztes Angestelltendasein nicht der erwünschte Karriere-Endpunkt sein kann und daher einen Ausweg suchen. Der könnte im Ziviltechniker zu finden sein, der eine hervorragende Basis dafür bietet, die eigenen Neigungen und Talente zu entfalten und zum Besten der Mitmenschen einzusetzen.

Persönliches Fazit

Alle erwähnten Gegebenheiten zusammengenommen empfinde ich den Auftritt als Ziviltechniker wegen des in meinen Augen hohen öffentlichen Vertrauens und der damit einhergehenden persönlichen Verantwortung, Pflicht zur Rechenschaft und Risikoübernahme als spannend und auch nach vielen Jahren als positiv herausfordernd. Und vor allem als erfüllend, wenn Kunden mit den gebotenen Leistungen zufrieden und mit Lob nicht sparsam sind. Das sehen auch jene Kollegen so, die sich mit Fleiß und Ausdauer im Lauf der Zeit gut am Markt etabliert haben und sich keine schönere Berufslaufbahn mehr vorstellen können.

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