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Das sind zwei Begriffe, die im allgemeinen Sprachgebrauch oft in gleicher Bedeutung gebraucht werden. Wie aber anhand von zahlreichen Medienauftritten in der Corona-Krise deutlich zu sehen war und ist, werden nicht alle als fachkundig vorgestellten Interviewten als Sachverständige bezeichnet. Der Begriff Experte ist zweifellos der allgemeinere und als solcher kann sich jede Person bezeichnen oder bezeichnen lassen, die sich in einem Fachgebiet sehr gut auskennt. Aber sowohl für Experten als auch für Sachverständige gilt, dass sie nicht die ihnen auferlegten Grenzen überschreiten dürfen.

In Österreich erinnern sich manche bestimmt noch recht gut an den Fall eines Experten, der ein dürres Gutachten ein Millionenhonorar beanspruchte und später im Zusammenhang mit illegaler Parteienfinanzierung in die Mühlen der Justiz geriet. Aber solche Fälle hat es nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Ländern gegeben und es gibt sie auch noch heute. Davon handelt das bemerkenswerte Buch „Skandalexperten, Expertenskandale – Zur Geschichte eines Gegenwartsproblems“ von Caspar Hirschi. Der Autor ist Professor für Geschichte an der Universität Sankt Gallen in der Schweiz.

Beschreibungen und Definitionen von Caspar Hirschi

Wie Hirschi gekonnt darlegt, sind derlei Skandale seit dem achtzehnten Jahrhundert gut dokumentiert. Er führt Beispiele aus unterschiedlichen Fachbereichen an, die quer durch mehrere Länder bis nahe herauf in die Gegenwart führen und ausnahmslos davon handeln, was geschieht, wenn Experten den ihnen vorgegebenen Spielraum nicht einhalten. Was uns aber hier mehr interessiert, sind einige seiner grundsätzlichen Ausführungen. In der Einleitung zur Darlegung eines Skandals um einen britischen Drogenexperten gibt er Beschreibungen und Definitionen, die die beiden Begriffe im Titel betreffen und die wir uns näher ansehen wollen (S. 29f).

Zur Definition des Begriffs „Experte“ (Zitate in kursiv):

Was ist unter einem Experten zu verstehen? Ich schlage vor, den Begriff mit drei Tätigkeiten zu verbinden: der Demonstration von Spezialwissen, der Vermittlung dieses Wissens an Laien und der Behauptung von Unabhängigkeit. Experten treten als Repräsentanten eines Wissensgebietes auf und weisen sich durch Fachtitel aus, die ihre Zugehörigkeit zu einer Spezialistengemeinschaft bezeugen.

Zur Rolle von Experten:

Ihre Rolle können sie nur ausüben, wenn Außenstehende mit Fragen an sie herantreten. Experten werden um Informationen und Einschätzungen, um Empfehlungen und Rat gebeten. Egal, ob sie auf der medialen Bühne oder hinter verschlossenen Türen agieren, ihre kommunikative Antwort beschränkt sich auf das Antwortgeben.

Zur Art, wie Experten antworten:

Die Antworten kommen dabei Übersetzungen gleich. Experten präsentieren, anders als Spezialisten im Gespräch unter sich, ihr Fachwissen in einer von Fachjargon soweit gereinigten Form, dass es für Laien verständlich wird.

Zum Rahmen, in dem sich Experten bewegen:

Die Art der Fragen setzt den Rahmen, in dem sich Experten bewegen können. Vor Gericht beantworten sie Sachfragen und werden deshalb als Sachverständige bezeichnet. Ähnlich limitiert ist ihr Spielraum in den Medien, wo die Choreografie von Experteninterviews, am auffälligsten in Nachrichtensendungen, der mündlichen Befragung von Sachverständigen im (angloamerikanischen) Gericht nachempfunden ist.

Zu Chancen und Gefahren in der Politik:

Ungleich mehr Möglichkeiten haben Experten in der Politik. Hier ist ihr potenzieller Einfluss am Größten, denn sie sollen nicht nur Materien erklären, sondern auch Maßnahmen empfehlen. Sie treten, um die Analogie zum Gericht weiterzuführen, zugleich als Sachverständige und als Anwälte auf. Zu entscheiden aber haben sie nichts. Wo diese Grenze aufgeweicht oder aufgehoben ist, verwandeln sich Experten in Technokraten.

Gemeinsamkeiten über alle genannten Tätigkeitsfelder:

Gemeinsam dagegen ist Experten im Gericht, in den Medien und in der Politik die Erwartung, dass ihre Aussagen aus unabhängiger Position erfolgen. Unabhängigkeit bedeutet dabei zweierlei: am Beratungsgegenstand kein ökonomisches Interesse zu haben und in der Beratungstätigkeit keinen politischen Einflussversuchen ausgesetzt zu sein. Entstehen Zweifel an der Unabhängigkeit, erscheinen Experten je nach Situation als Lobbyisten oder Propagandisten, und ihre Glaubwürdigkeit ist ramponiert.

Anmerkungen von Bernd Schilcher

Unser Thema sei abschließend noch um Ausführungen des leider viel zu früh verstorbenen Politikers und Universitätsprofessors Bernd Schilcher ergänzt. Sie sind dem Sammelband „Sachverständige in Österreich“ von Matthias Rant (Hrsg.) entnommen. Auch Schilcher beschäftigt sich aus einer Hirschi sehr ähnlichen Perspektive mit den Herausforderungen, denen Experten in den vorhin angesprochenen Tätigkeitsfeldern ausgesetzt sind. Hier beschränken wir uns aber auf seine Erläuterung zum Thema. In seinem Beitrag „Alles, was Recht ist“ (S. 163) führt er im Abschnitt mit dem Untertitel „Sachverständige und Experten“ folgendes aus:

(…) Ich gehe davon aus, dass nicht jeder Experte ein Sachverständiger ist, schon gar kein gerichtlich zertifizierter. Experte leitet sich vom lateinischen Begriff „expertus“ ab, was so viel wie „erprobt und erfahren“ heißt. Also nicht unbedingt: Ausgebildet. Experten machen auch „Experimente“, das sind Versuche, mit dem Zweck, Behauptungen zu beweisen. Die „Expertise“ des Experten war ursprünglich sein schriftliches Gutachten. Heute versteht man darunter auch das Expertenwissen selbst.

Im täglichen Getriebe ist auch für Sachverständige die Arbeit vorrangig und es bleibt wenig Zeit und wohl auch wenig Anlass, sich mit grundsätzlichen Dingen wie Begriffsdefinitionen auseinanderzusetzen. Für den Autor dieser Zeilen ergibt sich das Interesse dafür aus der jahrzehntelangen und intensiven Beschäftigung mit vielen Aspekten aus der Welt des Sachverständigenwesens. Dieser Blog dient dazu, das erworbene Wissen weiterzugeben an diejenigen, die es zu schätzen wissen. Anfragen, Themenwünsche oder Kommentare – jeweils per E-Mail unter gmbh@sonnek.at – sind herzlich willkommen!

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