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Ein Prozess ist für den Juristen ein Verfahren vor Gericht, für den Techniker aber ein Ablauf in einer Planung oder in einer Produktion von Gütern. Ein und dasselbe Wort hat in der Technik- oder Rechtssphäre völlig unterschiedliche Bedeutungen. Nun eint in meinen Augen Techniker und Juristen die Freude an exakten Begriffsbestimmungen. Denn die wiederum sind Voraussetzung für verständliche, nachvollziehbare und schlüssige Argumentation. Was schon innerhalb von Berufsgruppen gefordert ist, wird unerlässlich in der Kommunikation zwischen Technik und Recht, zwischen technischen Sachverständigen und Juristen.

Wir wollen mit einigen Begriffen beginnen, deren Bedeutungen dem Verständnis der juristischen Seite entstammen. Ihre Kenntnis ist für alle wichtig, die mit Gutachten und Gutachtern zu tun haben. Ausgangspunkt dafür ist die für jeden Sachverständigen empfehlenswerte Publikation „Sachverständige und ihre Gutachten – Handbuch für die Praxis“ von Krammer/Schiller/Schmidt/Tanczos, erschienen bei Manz, Wien, in diesem Fall Ausgabe 2012. Alle genannten Autoren sind oder waren als Richter tätig, die drei ersten außerdem langjährige Mitglieder der Präsidien von Landesgerichten oder Handelsgericht.

Die nachstehenden dem Buch entnommenen Begriffsbeschreibungen enthalten nicht nur pure Definitionen, sondern auch Klarstellungen, Abgrenzungen, Erläuterungen und Kommentare, die beachtet werden müssen. Begonnen sei mit einer wichtigen Unterscheidung (Zitate kursiv, der zugehörige Autor und die Seitenreferenz sind ebenso angegeben), dann folgt ein Kunterbunt an nicht nur für Sachverständige erhellenden Aussagen:

Zur Unterscheidung der Tätigkeit eines Sachverständigen als Berater und Gutachter (Krammer, 1f):

Einerseits kann die Sachkunde für die Interessen des Auftraggebers wahrende Beratungstätigkeit genutzt werden, bei der das Fachwissen einseitig für die Anliegen der einen Seite genützt wird und die Argumente für den Standpunkt des Auftraggebers herausgearbeitet werden. […]

Berater sind nicht unabhängig, sondern zur Loyalität ihrem Auftraggeber gegenüber verpflichtet, sie arbeiten Interessen wahrend. Das Ergebnis ihrer Tätigkeit sollte stets als „Beratung“, nicht aber als Gutachten bezeichnet werden.

Anmerkung: Ergebnis der Beratungstätigkeit kann z. B. ein Beratungsbericht sein.

Auf der anderen Seite steht die Gutachterarbeit, bei der die von den Auftraggebern gestellten Sachverhaltsfragen mit hoher Sachkunde von einer strikten Objektivität und Unparteilichkeit verpflichteten Person, somit ohne jede Interessenswahrung, beantwortet werden.

Zwei Definitionen der Sachverständigen (Krammer, S. 3 und Tanczos, S. 55):

Sachverständige sind Personen, die wegen ihrer besonderen Sachkunde dem Gericht (und der Staatsanwaltschaft) oder der Verwaltungsbehörde die Kenntnis von Erfahrungssätzen ihres Wissensgebietes verschaffen und/oder streiterhebliche Tatsachen ermitteln und/oder daraus Schlussfolgerungen ziehen.

Sachverständiger ist gemäß § 125 Z 1 StPO eine Person, die aufgrund besonderen Fachwissens in der Lage ist, beweiserhebliche Tatsachen festzustellen (Befundaufnahme) oder aus diesen rechtsrelevante Schlüsse zu ziehen und sie zu begründen (Gutachtenserstattung).

Keine Definition, aber eine gute Anleitung zu Einfachheit und Klarheit (Tanczos, S. 54) sowie Richtigkeit (Tanczos, S.  108):

Richter, Rechtsanwälte und Sachverständige müssen daher zur Aufrechterhaltung der Streitkultur im Rechtsstreit jene spezielle Verantwortung wahrnehmen, die Karl Popper (…) jedem Intellektuellen abverlangt: Er hat das Privileg, zu studieren. Im Gegenzug schuldet er es seinen Mitmenschen, die Ergebnisse seines Studiums in der einfachsten, klarsten und bescheidensten Form darzustellen. Wer es nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er es klar sagen kann.

Da ein Gutachten das Ergebnis menschlicher Kommunikation und nicht der Widerschein einer objektiven Wahrheit ist, zählt nur die beim Adressaten verständlich ankommende Botschaft. Ein Gutachten ist daher auch dann falsch, wenn es zwar objektiv richtig, aber so un- oder missverständlich formuliert ist, dass es ein redlicher Adressat nur falsch verstehen kann.

Und noch etwas zur Wichtigkeit guter Kommunikation (Tanczos, S. 124):

In einer pluralistischen und relativistischen Gesellschaft, die nur subjektive Wahrheiten und Lehrmeinungen kennt und die auch Gerichtsurteile nur als vorläufige Zwischenergebnisse akzeptiert, legitimiert sich ein Gutachter nicht durch die Wahrheit seiner Thesen, sondern durch das Niveau seiner Kommunikation.

Zur Verständlichkeit eines Gutachtens, dessen Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit (Tanczos, S. 72):

Nachvollziehbar ist ein Gutachten, wenn ein Laie die Entwicklung der Gedanken des Sachverständigen im Gutachten verstehen und zuordnen kann. Nachprüfbar ist es, wenn ein Fachmann den Inhalt und die Ansätze bis ins Detail überprüfen kann.

Was sind Urkunden? (Tanczos, S. 73)

Urkunden im Sinne der ZPO sind Schriftstücke mit Aufzeichnungen von Gedanken in menschlicher Schrift, die Tatsachen festhalten (…) und nach den Regeln der §§ 292 bis 319 ZPO als Beweismittel in den Prozess eingeführt werden.

Die Erstellung eines Privatgutachtens erfolgt auf Grundlage eines Vertrags (Schmidt, S. 91):

Unter einem Vertrag versteht man eine durch Willenserklärungen geschlossene Vereinbarung, die rechtlich verbindliche Regeln enthält.

Was sind Leistungsstörungen? (Schmidt, S. 94f)

Leistungsstörungen sind Fehler in der Abwicklung eines gültig zustande gekommenen Vertrages.

Anmerkung: Es gibt die drei Formen Unmöglichkeit (der Leistungserbringung), Verzug oder Gewährleistung.

Was ist Gewährleistung? (Schmidt, S. 96)

Unter Gewährleistung versteht man die Verpflichtung, für Mängel der eigenen Leistung einzustehen.

Was ist Schadenersatz? (Schmidt, S. 98)

Unter Schadenersatz versteht man den gesetzlich vorgesehenen Ausgleich erlittener Nachteile des Geschädigten durch den Schädiger.

Abschließend noch ein Argument für die gute Honorierung von Sachverständigen (Krammer/Schmidt, S. 128f):

Die unterschiedlich hohe Entlohnung von Sachverständigen für dieselbe Arbeit im außergerichtlichen Erwerbsleben – auf dem Markt des Fachwissens – ist eben ein Ausdruck einer differenzierten fachlichen Qualifikation von Gutachtern, die auch für die Entlohnung der gerichtlichen Sachverständigentätigkeit übernommen werden soll. Will man den Gerichten die besten Fachleute zur Verfügung stellen, dann muss ihnen auch die ihrer Qualifikation entsprechende Honorierung geboten werden.

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