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Tesla-Schnauze

Eine interessante Geschichte zum Thema Elektromobilität erzählte der deutsche Zukunftsforscher Lars Thomsen beim Energy Lunch Ende Februar 2020 in Graz. Er war hier bereits im Jahr 2014 Vortragender bei einem Motor-Umwelt-Kongress des Antriebsentwicklers AVL-List gewesen. Damals, so berichtet er, sei er mit dem ersten in Europa zugelassenen Tesla S, dem US-amerikanischen Elektroauto, von Zürich nach Graz gefahren. Das noch ohne jegliche Infrastruktur wie Ladestationen unterwegs! Daher hätte er im Kofferraum jede Menge Kabel, Stecher, Adapter und für alle Fälle einen Lötkolben mitgeführt.

Jedenfalls war die geschilderte Fahrt für sich gesehen eine Art Pionierleistung eines Zukunftsforschers, der auf dem Gebiet der Elektromobilität – ja der Mobilität überhaupt – versucht, aktuelle Entwicklungen richtig einzuordnen und daraus Trends abzuleiten. Eine gewisse Ernüchterung habe er damals erlebt, als sich für das völlig neue und in der Summe seiner Eigenschaften bahnbrechende Fahrzeug niemand wirklich interessierte. Seine mehrfachen Angebote an Kongressteilnehmer, eine Probefahrt mit dem Elektroauto zu machen, wurden nicht angenommen.

Tipping Points

Aus seinen weiteren Ausführungen wurde deutlich, dass – wie im geschilderten Erlebnis gezeigt – eines der Innovationshemmnisse in unserer Gesellschaft in einer gewissen Überheblichkeit besteht. Diese äußere sich am mangelnden Interesse, Ereignisse im Umfeld wahrzunehmen und daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Die Folgen des Desinteresses zeigten sich daran, dass plötzlich „Tipping Points“ erreicht werden, die bruchhafte Entwicklungen zur Folge haben können, wie sie etwa jetzt in der deutschen Autoindustrie zu erkennen sind.

Überheblichkeit definiert

Für den Begriff Überheblichkeit finden sich übrigens im Duden vierzig (!) Worte gleicher oder ähnlicher Bedeutung, die einen guten Wegweiser abgeben dafür, wo die Reise hingeht, darunter: Anmaßung, Eingebildetheit, Herablassung, Hochmut, Selbstverliebtheit, übersteigertes Selbstwertgefühl, Blasiertheit, Dünkel, Eitelkeit, Vermessenheit,  Selbstgefälligkeit, Selbstherrlichkeit, Arroganz, Großtuerei, Snobismus, Dünkelhaftigkeit, Hochnäsigkeit, Stolz etc. Also eine respektable Sammlung von Eigenschaften. Vor allem letztere – Stolz – tut auf die Dauer keinem Menschen gut.

Gefahren für den Sachverständigen

Auch Sachverständige sind nicht davor gefeit, in die Überheblichkeits-Falle zu geraten. Vor allem im Hinblick auf eingebildete Wichtigkeit kann man Gefahr laufen, sich als unverzichtbar zu halten. Zudem muss sich jeder darüber im Klaren sein, dass der Wert des gesammelten Wissens eine Halbwertszeit aufweist. Daher ist im Hinblick auf anstehende Aufgaben und Herausforderungen immer eine gesunde Portion Demut erforderlich. Und die Bereitschaft zu lernen! Dazu sei hier wieder einmal der amerikanische Autor Eric Hoffer zitiert: „In Zeiten des Wandels übernehmen die Lernenden die Welt, wogegen die Gelehrten sich bestgerüstet für eine Welt wiederfinden, die nicht mehr besteht.“

Auch Zukunftsforscher können irren

Auch Zukunftsforscher sind vor jeglicher Überheblichkeit zu warnen, denn sie sind natürlich nicht davor gefeit, Fehlprognosen abzugeben. Die Zeitschrift Autorevue berichtet im September 2014*), Lars Thomsen habe anlässlich der genannten Konferenz kundgetan, schon in wenigen Jahren würde das Elektroauto auf radikalste Art und Weise alle anderen Antriebsarten abgelöst haben, die rasche Elektrifizierung des Lastwagenverkehrs sei zu erwarten, ab 2018 würde kein Stadtbus mehr mit Verbrennungsmotor unterwegs sein und die letzte Formel-1-Saison wäre 2017! Was allesamt (noch) nicht eingetreten ist …

*) https://autorevue.at/autowelt/lars-thomsen-meinung-vortrag-elektromobilitaet-revolution-der-automobilindustrie

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