Sonnek

Hysterie

Bei der gestrigen Vorstellung des Programms der neuen Regierung mit dem Titel „Aus Verantwortung für Österreich“ ist dem designierten Vizekanzler unserer Republik ein lockerer Sager von der Zunge gehüpft: Man wolle etwas gegen die „großen Diesel-Stinker“ tun. Es mag noch seiner Gewohnheit als Oppositionspolitiker geschuldet sein, aber eine solche Aussage aus dem Mund eines Regierungsmitglieds kommt bei einem Maschinenbauer schlecht an. Aber nicht nur bei einem Techniker. Denn hier werden ein paar Dinge übersehen, die einem Bundespolitiker bewusst sein müssten.

Es sind zwei Hauptantriebe, ohne die nicht nur die weltweite Transportwirtschaft, sondern überhaupt die gesamte Weltwirtschaft nicht funktionieren würden. Zum ersten die Gasturbinen, die wegen ihrer hohen Leistung bei geringstmöglichem Gewicht den Antrieb von Flugzeugen dominieren. Und es sind zum zweiten die Dieselmotoren, ohne die ein moderner Schwerverkehr auf der Straße, auf der Eisenbahn – dort, wo eine Elektrifizierung nicht wirtschaftlich ist – und im internationalen Schiffsverkehr nicht möglich ist. Ernsthafte Alternativen dazu existieren derzeit nicht.

Effizienz

Der Grund für die Dominanz des Diesels bei großen Motoren ist klar: Es ist nach wie vor der mit Abstand effizienteste Verbrennungsmotor. Das ist auch der Grund, warum sich der Diesel seit den 1930er-Jahren langsam, aber stetig steigend auch in Personenkraftwagen etabliert hat. Effizienz bedeutet schlicht, dass ein bestimmter Nutzen mit weniger Aufwand erzielt wird. Der systembedingt tendenziell geringere Verbrauch des Dieselmotors gegenüber dem Benzinmotor war auch der Grund, warum sich der Diesel in den PKW-Zulassungen bis vor ein, zwei Jahren derart stark gemacht hat.

Hysterie

Dass vor einiger Zeit der „Dieselskandal“ eine Trendwende eingeleitet hat, steht auf einem anderen Blatt. Unentschuldbare Machenschaften haben damit ein ganzes System in schlechtes Licht gebracht. Jetzt wäre ein hohes Augenmaß einerseits in strafrechtlicher und andererseits technischer Konsequenz gefragt gewesen. Stattdessen brachte eine in meinen Augen durch Presse und Politik hysterisierte Öffentlichkeit bedeutende Teile der europäischen Industrie in beträchtliche Schwierigkeiten. Insbesondere Deutschland versucht gerade wieder einmal eine Musterschülerrolle mit verzweifeltem Sprung in die Elektromobilität.

Entwicklungspotential

Aus heutiger Sicht wird der Dieselmotor wegen seiner vorhin erwähnten Dominanz im Transportwesen noch einige Jahrzehnte seine Rolle behalten und ist allein schon deshalb unverzichtbar. Zudem hat er nach wie vor ein hohes Forschungs- und Entwicklungspotential, auch was kleinere Motoren betrifft. Gerade in Österreich haben wir beispielsweise mit AVL Unternehmen, die in der Motorenentwicklung weltweit an der Spitze mitwirken. Nicht zu vergessen betreibt ein großer Autohersteller seine Dieselmotorenfertigung in Österreich, große Teile der Zulieferindustrie hierzulande sind ebenfalls wichtige Arbeitgeber.

Technik und Politik

Doch zurück zu Werner Kogler. Selbstverständlich wird E-Mobilität ihre Rolle spielen. Aber es ist doch so, dass E-Autos derzeit ohne massive Förderung keine Käufer finden, weil sie schlicht zu teuer sind. Der Diesel-PKW ist nach wie vor die Option des sogenannten kleinen Mannes, des Pendlers, genauso aber des vielfahrenden und genau kalkulierenden Geschäftsmanns. Über die Sinnhaftigkeit großer SUV, die weder etwas mit Sport, noch mit Utility (gemeint ist Nutzen) zu tun haben, lässt sich natürlich trefflich streiten. Aber dabei kann man nicht auf Technik im Allgemeinen oder den Dieselmotor im Besonderen schimpfen, sondern diesbezüglich sollten Politiker dort ansetzen, wo sie mehr Einblick haben oder haben sollten, nämlich in gesellschaftlichen Denk- und Modeströmungen.

Wunsch eines Technikers an Politiker

Zusammengefasst: Politiker könnten viel mehr dann bewirken, wenn sie sich vor politischen Entscheidungen und Aussagen – auch in der Hitze des politischen Gefechts – über sachliche und fachliche Zusammenhänge des betreffenden Fachgebiets wenigstens  einen Gesamtüberblick verschaffen, kompetente Fachleute beiziehen, sich nüchtern alle Möglichkeiten und Alternativen überlegen und sich erst dann zu Wort melden, wenn sie etwas Substanzielles zu sagen haben. Die Wähler würden es danken. Ob der Wunsch realistisch ist? Ich weiß es nicht, hoffe es aber sehr.

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