Sonnek

Hieb- und stichfest

06.09.2019
Konflikt

Der Museumsführer erklärte, der Begriffs leite sich daher, dass die glänzende Ritterrüstung vor ihm gegen Schwertangriffe „hiebfest“ gewesen sei. Und das selbst gegen solche Kaliber wie Bihänder, die mächtigen Schwerter, die ansonsten wegen ihres durchschlagenden Erfolgs auch „Gassenhauer“ genannt worden waren. Darüber hinaus habe man die Rüstung als „stichfest“ bezeichnet. Damit sei gemeint, selbst Morgensterne, diese kugelförmigen Dinger mit Stacheln, hätten dagegen nichts ausrichten können. Die Rüstung hat mich spontan an Gutachten erinnert: auch die müssen hieb- und stichfest sein.

Hiebfest …

… heißt für mich, dass Gutachten fachlich und sachlich richtig sind. Heißt auch, dass sie in allen Details überprüfbar sein müssen. Das bedeutet wiederum, dass ein Fachkollege das gesamte Gutachten verstehen und kritisch durchsuchen kann und letztlich zum Schluss kommt und bestätigt, dass das Ergebnis korrekt ist und auch er zum selben Schluss gekommen wäre. Diese Hiebfestigkeit setzt voraus, dass der Verfasser des Gutachtens die Ergebnisse solide untermauern kann, indem er sein Urteil nicht allein auf persönliches Wissen und Erfahrung stützt. Sondern er muss zumindest auf Regeln der Technik verweisen können, die in der Fachwelt anerkannt sind.

„Stichfest“ …

… in Bezug auf ein Gutachten hat wiederum eine ganz andere Bedeutung: das Gutachten muss nachvollziehbar sein. In der Diktion der österreichischen Gerichte gibt es dazu den gleichwertigen Begriff „schlüssig“. Der Sachverständige muss in allen seinen Herleitungen zu Schlüssen kommen, die nachvollziehbar sind. Und zwar durch Laien! Das setzt wiederum voraus, dass das Gutachten in einer Sprache abgefasst wird, die für einen Durchschnittsmenschen verständlich ist. Dazu gehört auch, dass Fachausdrücke erläutert werden und dass bewusst auf Fachsprachen oder „Insider-Kauderwelsch“ verzichtet wird. Das setzt nebenbei bemerkt eine gewisse Selbstbeschränkung gegen ausufernde fachliche oder sprachliche Darstellungen (z. B. Vermeidung von Schachtelsätzen) voraus.

Integrität als hieb- und stichfeste Rüstung

Auch im Zusammenhang mit der Persönlichkeit des Sachverständigen hat das Bild der Rüstung Bedeutung. Der Sachverständige muss in jeder Situation bedingungslos korrekt, aufrichtig und ehrlich agieren können. Dazu bedarf es neben der selbstverständlichen Unabhängigkeit und dem Freisein von jeglicher Befangenheit der zentralen Hieb- und Stichfestigkeit der Rüstung namens Integrität. Die wiederum erfordert stetes Handeln nach bestem Wissen und Gewissen, sorgfältiges Abwägen aller Entscheidungen und Vermeiden jeglicher Selbsttäuschungen, die gefährliche Lücken in der Rüstung sein könnten. Dazu ist vorschnelles Agieren oder überstürztes Schlussfolgern zu vermeiden. Was wiederum nur dem möglich sein wird, der sich weder zeitlich, noch organisatorisch und auch nicht materiell einengen lässt. Allesamt notwendige Pflegemittel, damit die Rüstung weiterhin glänzt.

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