Sonnek

Wert entwickeln

26.04.2019
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Wie andere Freiberufler auch verrechnen selbstständig tätige Ingenieure und Sachverständige ihre Leistungen nach Zeitaufwand. In Gesprächen über dieses Thema fällt auf, dass viele Kollegen recht niedrige Stundentarife ansetzen. Richtsätze dafür finden sich zwar in Publikationen von Kammern, anderen Institutionen oder in Gesetzesbestimmungen. Solche Empfehlungen bilden aber erfahrungsgemäß keine ausreichende Orientierung für die Praxis. Überhaupt scheint ein hohes Maß an Unsicherheit darüber zu bestehen, wie der Wert der eigenen Leistung und damit die Höhe dieser Tarife festzulegen sind.

Es sind allesamt Personen mit einem gewöhnlich sehr langen Bildungs- und Ausbildungsweg, die geistig-schöpferische Dienstleistungen erbringen. Sehr oft haben diese Leute erst nach langjährigen Angestelltenverhältnissen in die Selbstständigkeit gewechselt, im vollen Bewusstsein des damit verbundenen Risikos und mit der Aussicht, dass für dasselbe Einkommen doppelter Einsatz gefordert sein würde. Nicht nur mussten sie fachliches Wissen ständig aktuell halten, sondern sie waren auch gefordert, ihre geschäftlichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten zu entfalten und weiterzuentwickeln.

Übernahme hoher Verantwortung

Für ihr Handeln tragen Freiberufler die gesamte Last der fachlichen und ethischen Verantwortung den Kunden und Klienten gegenüber. Sehr oft übernehmen sie Vertretungs- und Treuhandleistungen für beträchtliche materielle Werte, für die es gilt, penibel Rechenschaft abzulegen. Aufschluss geben müssen sie natürlich auch über das Zustandekommen ihrer Honorarforderungen. Druck kommt aber nicht nur von der Kundenseite, auch sich selbst und ihrem familiären Anhang gegenüber müssen sie geradestehen für die Angemessenheit ihres meist doch beträchtlichen zeitlichen Einsatzes.

Von Rechenschaft zu Rechtfertigung

Bei Technikern kommt ganz allgemein noch dazu, dass sie schon von ihrem Ausbildungsweg her gewohnt sind, besonders sorgfältig und mit Bedacht zu arbeiten. Denn beispielsweise wird nach Fertigstellung eines geplanten Gewerkes sehr rasch erkennbar sein, ob das Ergebnis ihrer Bemühungen brauchbar ist oder nicht. Aus diesem Grund stehen sie ihrer Arbeit ohnehin von Grund auf sehr genau prüfend und latent selbstkritisch gegenüber. Im schlimmsten Fall wird dann aus einer selbstbewusst wahrgenommenen Pflicht zur Rechenschaft ein aus unterschwelliger Minderwertigkeit geborener Zwang zur Rechtfertigung.

Wertreduzierende Autokorrektur als Fehler

Das alles hat wiederum zur Folge, dass Techniker die fachliche Qualität ihrer Arbeit im Regelfall eher unter- als überschätzen. Was zwangsläufig dazu führt, dass sie den kommerziellen Wert der Arbeit geringer taxieren, als gerechtfertigt wäre. Und hier wird’s für den freiberuflichen Ingenieur unangenehm, weil sich diese Unterbewertung unvermeidlich in niedrigen Honoraransätzen niederschlagen muss. Wohlgemerkt, wir reden hier nicht von einem möglichen Druck von außen, also vom Markt, von Kunden, die eine Leistung billiger wollen, sondern von einer Art wertreduzierender „Autokorrektur“.

Erster Schritt zur Besserung

Was tun? Die Lösung verlangt ein schrittweises Vorgehen, das an der Wurzel beginnen muss. Erstens: Ein selbständig tätiger Techniker muss sich den wahren, nicht gleich erkennbaren Wert seiner Arbeit bewusst machen. Das beginnt mit einem Blick zurück auf die Ausbildungs- und bisherige Berufslaufbahn, auf die enorme Zeit und Mühe fordernden Lernphasen, das Sammeln von Erfahrungen mit allen Erfolgen und Rückschlägen, Versuchen und Irrwegen bis hin zum gegenwärtigen Status. Wer schon einmal versucht hat, die dafür aufgewendeten Stunden auch nur grob abzuschätzen und zu bewerten, kommt auf gewaltige Beträge.

Eigenwert als Spiegel des Selbstbewusstseins

Diese erste Bestandsaufnahme sollte zu einer Stärkung des Selbstbewusstseins führen und damit zu einem Überdenken des Wertes der eigenen Leistung, bisher verrechnete Stundentarife sollten kritisch überprüft werden und den verborgenen Wert berücksichtigen. Zu bedenken ist auch, dass die Anzahl der tatsächlich in einem Jahr verrechenbaren Stunden gerade als Selbstständiger sehr oft zu optimistisch angesetzt wird. Auch hier muss vielleicht eine deutliche Korrektur des Stundentarifs nach oben erfolgen. Aus betriebswirtschaftlicher Vernunft wird man sich auch vor Preiskämpfen hüten.

Den Blick auf Vorteile und Nutzen lenken

Dann folgt der zweite Schritt, die Vermittlung des höheren Wertes an die bestehenden oder potentiellen Auftraggeber. Wie kann das geschehen? Es gibt einen Ansatz, der in diesem Blog schon des Öfteren genannt wurde. Der besteht darin, dass der Techniker seine Sichtweise von sich weglenkt und sich gedanklich „in die Schuhe“ des Auftraggebers stellt. Technikern fällt diese Loslösung zugegeben nicht leicht, denn es geht darum, die Leistungen nicht anhand der geplanten Tätigkeiten darzustellen, sondern ganz konträr so, dass der Kunde den Nutzen und die Vorteile erkennen kann, die er zu erwarten hat.

Vorbereitung macht den Unterschied

Ein nutzenorientiertes Vergabegespräch wird ganz anders verlaufen als eines der üblichen Verkaufsgespräche, in denen die Fähigkeiten des Anbieters in die Waagschale geworfen werden und sich alles darum dreht, sich selbst sowie seine Tätigkeit in möglichst vorteilhaftes Licht zu stellen, um sich gegen Mitbieter abzugrenzen. Der Techniker muss dazu aber entsprechend vorbereitet sein und seine Hausaufgaben gemacht haben, indem er im Vorfeld sorgfältig und genau zweckdienliche Informationen über Kunden und Projekt eingeholt und sein Argumentarium auf den Kundenvorteil zugeschnitten hat.

Gemeinsam Wert entwickeln

Wird dieser Denkansatz in Gesprächen mit ratsuchenden Kollegen eingebracht, führte er regelmäßig zu starken Aha-Erlebnissen. Mit kundenorientierter Nutzenpräsentation bekommt der Techniker entscheidend mehr Aufmerksamkeit als mit plumper Eigenreklame.  Bei richtiger Führung durch den Anbieter wird ein so vorbereitetes Kundengespräch in die Richtung laufen, dass beide Seiten gemeinsam daran arbeiten, durch den Auftrag möglichst viel Wert und Nutzen für den Kunden zu erzeugen. Der Kunde wird zugänglicher und offener mit jedem Vorteilspunkt, der ihm bewusst wird. Der Anbieter darf Erfolg erwarten. Mit dem Wertempfinden in Augen des Kunden steigt der Wert des anbietenden Technikers und damit seine Chancen auf ein wertgerechtes – sprich gutes – Honorar.

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