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Befund

Entscheidend für die Zukunft der Sachverständigen wird sein, wie und mit welcher Geschwindigkeit sich die Welt der Informationstechnologie und der Computer weiterentwickelt. Wir wissen noch nicht, ob es die Sphären der künstlichen Intelligenz oder von „Big Data“ sein werden oder von beiden zusammen, die sich entscheidend auf die Arbeit der Experten auswirken werden. Die Kernfrage lautet: Ist der Sachverständige, insbesondere der Mensch dahinter, überhaupt ersetzbar? Die meisten Experten werden lächelnd den Kopf schütteln: In manchen Wissensgebieten vielleicht, aber sicher nicht in meinem, das ist viel zu komplex …

Aber Vorsicht! Ist einerseits die Überzeugung von der eigenen Unersetzlichkeit nicht eine gefährliche Haltung, die vielen anderen Berufen schon zum Verhängnis geworden ist? Und ist es angesichts der Veränderungen, die etwa das Internet in unserem beruflichen und privaten Leben bereits gebracht hat, zu meinen, alles werde so bleiben wie bisher? Mitnichten. Das, was wir heute etwa an Suchmaschinen oder sozialen Medien haben, ist erst ein kleiner Anfang. Die Frage ist nur, ob wir aus dem Kommenden aktiv für uns selbst und andere Nutzen ziehen oder ob wir bloß Passagiere oder gar Leidtragende sein werden.

Unterschätze Maschinen

Die Frage, ob wir das, was wir heute schon vorfinden, als künstliche Intelligenz bezeichnen können, ist zweitrangig. In den Achtzigern haben etwa die angesehenen Wissenschaftler Hubert und Stuart Dreyfus*) genau dargelegt, warum Maschinen, die denken wie ein Mensch, nicht machbar sein würden, weil sie nie arbeiten könnten wie das menschliche Gehirn. Das ist korrekt. Maschinen brauchen das aber auch nicht. Denn während der Schachspieler mit Verstand und Intuition seinen nächsten Zug überlegt, kann sein Gegner, der Computer, einige tausend Varianten durchspielen. Und wie man weiß, ist er damit erfolgreicher.

Fähigkeiten des Sachverständigen

Aber kann eine Maschine menschliche Fähigkeiten ersetzen? Nach Richard und Daniel Susskind braucht ein Experte für seine tägliche Arbeit vier Eigenschaften: 1. Kognitive Fähigkeiten: Denken, Verstehen, Analysieren, Nachdenken, Problemlösen, Reflektieren. 2. Emotionale Fähigkeiten: Umgang mit eigenen Gefühlen und denen anderer. 3. Physische und physiomotorische Fähigkeiten, wichtig etwa für Ärzte. 4. Moralische Fähigkeiten: Nicht nur die Unterscheidung zwischen richtig und falsch, gut und böse oder gerecht und ungerecht, sondern auch die Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.

Was Maschinen tun können

Diese Erkenntnisse aus dem Jahr 2015 decken sich weitgehend mit Ergebnissen eigener Untersuchungen*) aus dem Jahr 2013. Was davon kann eine Maschine übernehmen? Nach Ansicht der Susskinds in naher Zukunft alles! Zu 1.: Mächtige Suchmaschinen, die Klartext verstehen und heute schon für medizinische Diagnosen eingesetzt werden, können bald für viele Wissensbereiche Realität sein. Zu 2.: Ja, eine Maschine kann auf emotionale Befindlichkeiten Rücksicht nehmen, siehe Pflegeroboter. Allerdings wird das Vorhandensein emotionaler Kompetenz gerade bei Experten aller Art überschätzt, wie auch eigene Erkenntnisse zeigen ..,

Was wird aus der Moral?

Was die unter Punkt 3 genannten physischen oder physiomotorischen Fähigkeiten betrifft, erübrigt sich jeder Zweifel, wenn man an die in der Chirurgie bereits eingesetzten Roboter denkt oder an autonome Maschinen in der industriellen Fertigung. Bleibt Punkt 4. moralische Fähigkeiten. Hier scheinen Menschen unersetzbar. Aber die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass Verantwortung im Grunde darin besteht, erklären zu können, wie man zu einem bestimmten Schluss gekommen ist. Hier ziehen sich Menschen auf „Erfahrung“ zurück. Fazit der Wissenschaft: Auch hier bleibt den Menschen immer weniger und weniger …

Techniksprünge sind nicht aufzuhalten

Natürlich wird immer ein bestimmter Aufgabenbereich für Sachverständige der gewohnten Art fortbestehen, denn manche Dinge wird man lieber mit einem Gegenüber aus der gleichen Spezies durcharbeiten als mit Maschinen. Aber mit großer Wahrscheinlichkeit ist angesichts der bisherigen und weiter zu erwartenden Technologisierung der kommenden Jahre zu erwarten, dass deutlich weniger konventionelle Aufgaben bleiben. Dazu kommt, dass laufend immer mehr spezialisiertes Wissen frei verfügbar und über neue Möglichkeiten noch leichter zugänglich sein wird als bisher.

Was bedeutet das für die Zukunft der Sachverständigen?

Der Sachverständige, wie wir ihn heute kennen, wird nicht von heute auf morgen plötzlich verschwinden. Aber es besteht angesichts der vorhin geschilderten Zusammenhänge in den kommenden Jahren die unangenehme Aussicht auf eine zunehmende „technologischen Arbeitslosigkeit“ für Sachverständige der konventionellen Art. Nach Ansicht der Wissenschaft werden nur die Besten der Besten in den vorhin beschriebenen Fähigkeiten überleben können. Allerdings auch nur dann, wenn die zunehmend an Gratisinformationen gewöhnte Gesellschaft bereit ist, diesen Experten den gerechten Lohn für ihre Mühe zuzugestehen.

*) Hubert Dreyfus/Stuart Dreyfus, Mind over Machine – The Power of Human Intuition and Expertise in the Era of the Computer, The Free Press 1986

*1) Susskind R. und D., The Future of the Professions“, Oxford 2015, S. 15

*) Sonnek R. I., Qualitätsmanagement für Sachverständige, Dissertation, Technische Universität Graz 2013

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