Sonnek

Blitz

Disruption bezeichnet das plötzliche, bruchartige und unerwartete Ende von Produkten, Geschäftsmodellen, Dienstleistungen oder von ganzen Berufsfeldern. Der Modebegriff ist zwar neu, benennt aber nichts Neues, denn in der Technik- oder Wirtschaftsgeschichte hat es diese Brüche durch Innovationen immer wieder gegeben. Man denke etwa an das Aufkommen von Dampfmaschine, Automobil oder Computer. Heute durchwirbelt die Digitalisierung alle Lebens- und Arbeitsbereiche und ist dabei, ratzekahl viel Altgewohntes auf den Kopf zu stellen. Auch die traditionsreiche Tätigkeit von Sachverständigen? Ja, auch die.

Wer sagt das? Hierzulande wahrscheinlich niemand, denn wozu sich Gedanken machen, es läuft doch alles eh ganz normal dahin. Stimmt ja auch, zumindest derzeit noch. Einige Leute in anderen Ländern aber haben sich den Kopf darüber zerbrochen, welche konkreten Auswirkungen die Digitalisierung auf ehrenwerte und traditionelle selbstständige Berufe, freie Berufe im Wesentlichen, haben kann. Andere haben sich ganz allgemein mit Experten und Wissensberufen beschäftigt. Eines vorweg: Angst vor dramatischen Brüchen von heute auf morgen ist nicht geboten, stete Wachsamkeit gegenüber dem raschen Wandel aber sehr wohl.

Eingrenzung des Personenkreises

Der Personenkreis, von dessen Zukunftsentwicklung hier die Rede ist, umfasst Sachverständige im weitesten Sinne. Sie können beruflich gesehen einer selbstständigen oder unselbstständigen Tätigkeit nachgehen, berufliche Selbstständigkeit ist ja auch keine Voraussetzung für Sachverständigentätigkeit. In ihrer Tätigkeit als Gutachter unterliegen aber beide Gruppen den gleichen strengen Regeln wie Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Objektivität etc. und sie treten dann gewissermaßen einer „Zunft“ bei, die genaue Richtlinien über Zugang, Verpflichtungen, Rechte, aber auch Sanktionen bei mangelhafter Disziplin festlegt.

Merkmale der Tätigkeit

Wenn Sachverständige – auch unselbstständig Berufstätige – als Gutachter arbeiten, gelten für sie somit ähnliche Merkmale wie für einen freien Beruf. Für letzteren nennen die britischen Wissenschaftler Richard und Daniel Susskind vier charakteristische Merkmale *1), von denen zuvor schon einige angesprochen worden sind: (1) Sie haben ein besonderes Wissen. (2) Sie müssen bestimmte Zugangskriterien erfüllen. (3) Sie müssen Berufsregeln beachten. (4) Sie müssen sich zur Einhaltung eines gemeinsamen Wertekanons verpflichten. Überlegungen zur Zukunft der Sachverständigen haben diese Merkmale im Auge zu behalten.

Der lange Weg zum Sachverständigen

Wie diese Zusammenstellung zeigt, führt der Weg zum Sachverständigen über besonderes Wissen, was den Erwerb der „nicht gewöhnlichen Kenntnisse“, wie es im Bürgerlichen Gesetzbuch heißt *2), voraussetzt,  also solides permanentes Lernen und langjährige Erfahrung, was wiederum ein hohes Maß an Anstrengung und Beharrlichkeit bedingt. Der skandinavische Experten-Experte Anders Ericsson setzt in seinem Handbuch für Experten *3) unter Heranziehung von Erkenntnissen anderer Untersuchungen für einen typischen Werdegang einen Zeitraum von 10 Jahren voraus. Nichts für Weicheier, wie man so sagt.

Funktion und Stellung

Sachverständige sind in ihrer gesellschaftlichen Funktion Wissensträger, oder wie andere halb anerkennend, halb kritisch anmerken, „Torwächter“ des Wissens. Anerkennend in Bezug auf die besondere Stellung, wahrgenommen als Verdienst der geschilderten Mühen, die der Sachverständige in der Vergangenheit auf sich genommen hat, um die Höhen des Expertentu(r)ms zu erklimmen. Kritisch deshalb, weil man den Zugang zum – sehr oft gerade sehr dringend benötigten – Wissen unnötig versperrt sieht, das man möglichst kostengünstig, vorzugsweise gratis, bekommen möchte.

(wird fortgesetzt)

*1) Susskind R. und D., The Future of the Professions“, Oxford 2015, S. 15

*2) ABGB § 1299 (Österreich)

*3) A. Ericsson, The Cambridge Handbook of Experts and Expert Performance, Cambridge 2006

Comments are closed.

Copyright ©2012 Ing. R. Sonnek GmbH