Sonnek

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Das ebenerdige Wohnhaus an der Hauptstraße des beschaulichen Marktfleckens sorgte für Rätsel. Als man das den Winter über unbewohnte, aber vermeintlich beheizte Gebäude zu Beginn des Frühjahrs geöffnet hatte, war fast das gesamte Geschoß ein paar Zentimeter hoch unter Wasser. Die Trinkwasserleitung war eingefroren und in der Folge geplatzt. Natürlich wurde sofort der Zufluss abgesperrt, man schöpfte, wischte und trocknete mit allen Kräften und rettete an Einrichtung und Hausrat, was noch zu retten war. Ein Frostschaden also, unangenehm für die Besitzerin, nichts Ungewöhnliches für einen Sachverständigen. Bis auf den Wasserverlust.

Der war von unerklärlichem, ja geradezu schockierendem Ausmaß. Denn die Ablesung des Wasserzählers zeigte – bereinigt um den üblichen Verbrauch – einen Mehrkonsum des Gebäudes von etwa dreitausendsechshundert Kubikmeter oder anders gesagt dreikommasechs Millionen Liter! Jedenfalls lag es nicht am Wasserzähler. Der hatte zwar ein durch den Frost gebrochenes Schauglas, war aber einer Untersuchung im Messlabor zufolge nichtsdestotrotz voll funktionsfähig.

Die schier unvorstellbare Menge betrug…

Nur, wo sollte dieses Riesen-Volumen unbemerkt hingekommen sein? Im Haus hatte man zwar die große Wasserlache vorgefunden, von außen war dem Gebäude aber nichts anzumerken, was auf einen derartigen Wasseraustritt hätte schließen lassen. Die Fassade schien unverändert. Der von der Gebäudeversicherung beigezogene Bausachverständige stellte verdutzt fest, dass es sich bei dieser verschwundenen Menge um das mehr als Zehnfache des Gebäudevolumens gehandelt habe. Oder um einen gedachten Würfel von etwa fünfzehn Metern Seitenlänge.

… das mehr als Zehnfache des Gebäudevolumens

Jedenfalls waren die durch die Nässe in den folgenden Wochen noch sichtbar werdenden Schäden enorm. Die erwähnte Versicherung verweigerte den Schadenseintritt mit der Begründung, die Besitzerin, die unweit wohnte, hätte sich im Winter nicht ordnungsgemäß um das Objekt gekümmert, somit fahrlässig gehandelt und dadurch selbst den Frostschaden verursacht. Weil zur Behebung des Schadens ein beträchtlicher Aufwand erforderlich war, sah sich die Besitzerin genötigt, diesen von ihrer Versicherung einzuklagen.

Auslöser und Hintergrund

Mehr Licht ins Dunkel der Vorgänge brachte eine Verhandlung vor Ort. Die Mieterin des Objekts hatte seit Herbst das Haus nicht mehr benutzt und Zahlungen eingestellt. Kontaktversuche der Besitzerin waren erfolglos geblieben. Letzter riss dann der Geduldfaden, ein Reserveschlüssel scheiterte aber am gewechselten Türschloss. Der Frühling war schon ins Land gezogen, als doch noch passender Schlüssel und Mieterin auftauchten und – oh Schock! – die Überschwemmung entdeckt wurde.

Wie die Menge zu erklären war …

Blieb die Frage nach Zustandekommen und Plausibilität von Auslaufmenge und ihrem Verschwinden zu klären: Der Winter hatte sich durch eine Kältewoche mit zweistelligen Minusgraden und eine anschließende Warmwetterphase ausgezeichnet. Die Flüssiggasheizung war mangels Nachschub ausgefallen, die Wasserleitung eingefroren und wieder aufgetaut. Eine überschlägige Abschätzung unter Beachtung der lokalen Verhältnisse ergab, dass die dreitausendsechshundert Kubikmeter im Zeitraum der etwa eineinhalb Monate zwischen vermutlichem Auftauen und der Entdeckung durchaus ausgetreten sein konnten.

… und wie ihr Verschwinden …

Die Fragen nach dem Wohin und dem Warum des Nicht-Entdeckt-Werdens lösten sich nach eingehender Besichtigung des Hauses, durch etwas Detektivarbeit und mit Hilfe rechnerischer Abschätzungen: Das austretende Wasser hatte sich im Erdgeschoß verteilt, war zu einem kleinen Teil vom Bodenablauf im Badezimmer erfasst worden, zu einem größeren Teil durch das Revisionstürchen und eine Öffnung unter der Badewanne in den darunterliegenden, einzigen Kellerraum des Hauses gelangt und in dessen Sandboden rückstandslos versickert.

… und warum niemend etwas bemerkte

Der Grund dafür, dass das Wasser nicht etwa durch die Haustüre ausgetreten und daher niemandem aufgefallen war lag darin, dass das Bodenniveau des Windfangs eine Stufe über dem Niveau des übrigen Erdgeschoßes lag. Der Windfang wirkte somit gegenüber der Haustüre wie ein Staudamm, wodurch keinerlei verräterische Wasserspur nach außen dringen konnte. Eine rechnerische Abschätzung des sich ergebenden Wasserspiegels bestätigte die Zusammenhänge. Fazit: Nachdem alles Wesentliche bereits vor Ort geklärt werden konnte, entete das Verfahren spontan mit einem Vergleich …

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