Sonnek

Frage

Dem Zug zur Selbstständigkeit können zwei Ursachen zugrunde liegen. Entweder er ist gewünscht, weil ein starker Drang zur verlockend scheinenden Unabhängigkeit und damit zu einer aktiven (Um-)Gestaltung der Zukunft besteht. Oder aber, weil sich nach einschneidenden Änderungen in der beruflichen Laufbahn – etwa einer Kündigung – die Notwendigkeit eines radikalen Neubeginns ergibt. In beiden Fällen ist nach einer umfassenden Bestandsaufnahme des eigenen Potentials – wie sie im ersten Teil behandelt wurde – eine weitreichende Betrachtung des wirtschaftlichen Umfelds angebracht.

Manche Anwärter auf eine Existenz als Selbstständige gehen davon aus, dass ihre Leistungen von selbst gefragt sein werden und dass künftige Kunden naturgemäß schon Schlange stehen, sobald sie ihren Markteintritt kundtun. Dem ist aber nicht so. Neulinge müssen sich zuerst einmal bei ihrer potentiellen Klientel bekannt machen. Dann müssen dafür sorgen, dass sie gefunden und erreicht werden können. Und letztlich müssen sie gerade als Newcomer überzeugende Gründe bieten, dass man sie beauftragt. Aber schön der Reihe nach.

Den Markt erobern

Jeder, der sich selbstständig machen will und die Sache auch anpackt, wird sehr schnell merken, dass Fachkenntnis allein zu wenig ist, um überhaupt erst einmal wahrgenommen zu werden. Er muss zuerst lernen, sich und seine Leistungen attraktiv zu präsentieren und für den künftigen Auftraggeber interessant zu machen. Das heißt schlicht und einfach, er muss verkaufen lernen. Das aktive Zugehen auf mögliche Kunden wird anfangs vielen schwerfallen, insbesondere Technikern mag das Verkaufen der eigenen Leistung zunächst ein Gräuel sein, aber es lässt sich nicht vermeiden.

Als Fallbeispiel sei aus diesem Grund und auch um der besseren Anschaulichkeit in den folgenden Ausführungen ein Maschinenbauingenieur herangezogen, der bislang in einem internationalen und sehr angesehenen Unternehmen durchaus erfolgreich tätig war, nun aber seinen Wunsch nach einem Umstieg in die Freiheit des Selbstständigen-Daseins umsetzt. Das Beispiel ist auch deshalb gewählt, weil ich in den letzten Jahren einige junge Kollegen auf den ersten Schritten begleiten und aus nächster Nähe beobachten konnte.

Sich bekannt machen

Nachdem unser Kollege einen Bürostandort gewählt, die nötige Infrastruktur eingerichtet und  sich mit der Tatsache vertraut gemacht hat, dass er nun selbst über seine Agenda bestimmt, wird er den Blick nach außen richten und sich überlegen, wo er seine Kunden finden wird. In unserem Beispiel könnte er sich zuerst den Behörden vorstellen – insbesondere den für seinen Tätigkeitsbereich zuständigen Gewerbebehörden – und diesen sein Leistungsspektrum vorstellen. Die Behörden haben laufend etwa mit Genehmigungsverfahren zu tun, für die sie sehr oft auf externe Experten zurückgreifen müssen.

Im nächsten Schritt bieten sich Industriebetriebe und größere Gewerbebetriebe an, dort anzuklopfen und seine Kenntnisse und Erfahrungen zu präsentieren. Wobei gerade bei solchen Gesprächen es notwendig erscheint, dass sich der Anbieter nicht auf Darstellungen seiner Leistungen beschränkt, sondern dass er immer wieder den Nutzen für den Interessenten herausstreicht. Auch wenn nicht sofort ein möglicher Anknüpfungspunkt gefunden oder gar ein konkreter Auftrag erteilt wird, ist zumindest „Flagge gezeigt“ und Eindruck hinterlassen worden, der später zu Geschäftsbeziehungen führen kann.

Nicht zu unterschätzen sind auch die Möglichkeiten, die Standesvertretungen wie Kammern und Berufsvereine bieten. Es ist nie ein Nachteil, sich dort persönlich vorzustellen und deren Veranstaltungen zu besuchen, um neue Beziehungen zu knüpfen. Zur Präsentation lassen sich auch die vielen Möglichkeiten nutzen, die die Presselandschaft bietet, angefangen von Lokalzeitungen bis hinauf zu Fachzeitschriften. Nicht zu vergessen sind natürlich die „Social Media“, wenngleich deren praktische Bedeutung für Freiberufler noch steigerungswürdig erscheint.

Last but not least sollte der Techniker in unserem Fallbeispiel nicht außer Acht lassen, dass er mit seinen Erfahrungen auch in außerberuflichen Bereichen ein gesuchter Partner sein kann: Wer sich etwa in der freiwilligen Feuerwehr mit seinen Berufskenntnissen nützlich machen kann, hat Garantie auf einen wachsenden Bekannten- und wahrscheinlich auch Interessentenkreis an Leuten, die später einmal auf seine Leistungen zurückgreifen könnten.

Seine Nische finden und besetzen

Niemand kann in seinem Fachgebiet in allen Sparten und Unterabteilungen Meister sein. Besonders gilt dies für unser Beispiel des Maschinenbaus, der fast schon ein unendliches Spektrum an Vielfalt beinhaltet, vom Fahrrad bis zum Kraftwerk, vom einfachen Kran bis zum Transportflugzeug usw. Der Anbieter baut sein Angebot auf seinen Erfahrungen auf und wird Schwerpunkte setzen, etwa erneuerbare Energie, Werkzeugmaschinen, Qualitätsverbesserung in Produktionszyklen beispielsweise. Sinnvollerweise wird er sich jenen wiederkehrenden Kundenwünschen zuwenden, die er sich besonders gut erfüllen kann und in denen er wenige oder gar keine Mitbewerber vorfindet.

Paul Gustav Hahnemann, legendärer Vertriebsvorstand von BMW in den Sechziger- und Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, wurde „Nischen-Paule“ genannt, weil er mit Einführung der „Neuen Klasse“ sportlicher Limousinen für die Marke eine Nische im Automobilgeschäft belegte, die es damals noch nicht gab und deren Erfolg bis heute andauert. Nischen können für den Anbieter zu einem höheren Prestige führen, zumindest aber haben sie wegen der besseren Erlöse einen entscheidenden Vorteil, das gilt genauso für den Techniker in unserem Beispiel.

Bei aller Kompetenz in einer Nische darf man dabei aber nicht übersehen, dass sich der Markt und die Kundenwünsche laufend verändern. Jeder Selbstständige muss auf die Entwicklungen in seiner Branche ein wachsames Auge haben. Er darf nicht den Fehler machen, in seiner Nische statisch zu verharren, sondern muss sein Angebot weiterentwickeln, vielleicht sogar total ändern. Gerade diese Dynamik des Marktes liefert ständig neue Chancen, die ein wacher Geist zum Wohl seiner Kunden und Klienten gerne wahrnehmen wird.

(Wird fortgesetzt)

Antworten

Copyright ©2012 Ing. R. Sonnek GmbH