Sonnek

Diss

Ein Installationsunternehmen wird von einem Auftraggeber massiv beschuldigt, unzureichende Leistungen erbracht zu haben. Der Schaden soll beträchtlich sein, ein sehr großer Betrag wird dazu ins Spiel gebracht. Untermauert ist der Angriff mit dem umfangreichen Gutachten eines Privatsachverständigen mit zum Teil schwer nachvollziehbaren Äußerungen. Eine außergerichtliche Einigung wird verlangt. Der Geschäftsführer des Installationsunternehmens fühlt sich ungerechtfertigt attackiert, aber auch argumentativ überfordert. Gemeinsam mit seinem Rechtsbeistand sucht er Hilfe bei einem Sachverständigen seines Vertrauens.

Gleich vorab eine Warnung

Ein derartiger Auftrag ist nicht einfach abzuwickeln, setzt absolute Sattelfestigkeit in fachlicher Sicht voraus und langjährige Erfahrung im Umgang mit diffizilen Problemstellungen. Auch ist solide Kenntnis im Umgang mit Menschen und richtiges Verhalten in Verhandlungssituationen Voraussetzung. Enge Zusammenarbeit mit dem Rechtsvertreter ist ebenfalls erforderlich. Alles in allem keine Sache für ein „Greenhorn“! Deshalb nachstehend einige Grundsätze und Hilfestellungen, die beitragen sollen, derartige Situationen zu meistern.

1. Festlegen der Rolle

Zuallererst wird der Sachverständige die Rolle klären und festlegen, in der er auftreten soll:

-         Ist er als Sachverständiger tätig, also unparteiisch? Das wird dann der Fall sein, wenn man von ihm im Endeffekt ein Privatgutachten erwartet, auf dessen Ergebnis der Auftraggeber keinen Einfluss nehmen kann. Ein Gutachten hat als Expertenäußerung wegen der Verpflichtung zur Objektivität entsprechendes Gewicht, auch vor Gericht. Dem Auftraggeber muss aber bewusst sein, dass das Gutachtensergebnis für ihn auch „nach hinten“ losgehen kann.

-         Oder ist er parteiisch tätig, also nicht in einer Funktion als Sachverständiger, sondern als Berater, als Helfer, als „Technischer Anwalt“? Arbeitet er „im Hintergrund“ oder tritt er der anderen Seite gegenüber in Erscheinung? Beides ist möglich. Entscheidend ist, dass er diesfalls nicht in einer Funktion als Sachverständiger tätig sein kann.

Es ist durchaus denkbar, dass seine Rolle nicht schon zu Beginn der Tätigkeit feststeht, sondern erst nach einer Zeit der Einarbeitung ergibt. Wichtig ist, dass er bei seiner Rolle bleibt. So darf er sich etwa nicht in die Rolle eines Anklägers drängen lassen – das sollte ausschließlich Aufgabe des Rechtsbeistandes sein.

2. Klären der Aufgabenstellung

Ist die Rolle festgelegt, muss in einem nächsten Schritt geklärt werden, welche sachlichen und fachlichen Aufgaben gestellt werden. Folgende Fragen an den Auftraggeber tun sich auf:
-         Als Sachverständiger: Welche Fragen sollen beantwortet werden? Welche Sachverhalte sollen erhoben und beurteilt werden?
-         Als Berater: Zu welchen Themen sind Argumentationshilfen auszuarbeiten? Welche Formulierungen werden benötigt? Auf welche Weise und mit welchen Mitteln kann ich am besten helfen?
Ganz besonders ist dabei zu berücksichtigen, dass Erwartungen und Forderungen der Auftraggeber zwar beachtet werden müssen, aber nicht immer auch erfüllt werden können.

3. Bearbeiten des Falles

Wie in allen seinen Arbeiten wird man auch hier mit hoher Sorgfalt an die Aufgabe herangehen:
-         Die Darstellungen und Behauptungen im vorliegenden Gutachten wird man genau auf ihre Stichhaltigkeit prüfen, Stärken und Schwächen der Argumentationen ausloten.
-         Man wird auch jene Stellen finden, an denen Vermutungen plötzlich zu Tatsachen verdreht werden.
-         Auf polemische Einwürfe oder gar abwertende Bemerkungen wird man nicht eingehen, dafür aber fehlende Logik in vermeintlichen Beweisführungen aufdecken.

Sein ausschließliches Bestreben der Tätigkeit wird sein, in unaufgeregter Art und Weise die gegebenen Sachverhalte zu klären, um die materielle Wahrheit herauszufinden.

4. Duell der Experten

Wenn die Arbeit in schriftlicher Form vorliegt, kann eine persönliche Konfrontation mit dem Gegenüber aus demselben Fachgebiet gewünscht sein. Natürlich wird man in eine solche Situation gut vorbereitet gehen. Außerdem sind einige Dinge zu beachten:

-         Es ist wichtig, sich im Vorfeld der Auseinandersetzung mit den anderen Beteiligten der eigenen Seite strategisch und operativ vorzubereiten, damit man weiß, wer welchen Part in der Diskussion übernimmt, wer moderiert etc.

-         Auch wenn der andere Sachverständige Gegner in einer Diskussion ist, ist er deshalb noch kein Feind. Man wird gegenseitige Wertschätzung aufrechterhalten, auch wenn es in fachlicher Sicht gravierende Meinungsunterschiede gibt.

-         Emotionen kann man nie vermeiden, aber sie dürfen nicht an die Stelle der fachlichen Auseinandersetzung treten. Man darf auch dann nicht die Nerven verlieren, wenn die andere Seite unfair agiert oder sich verbale Untergriffe leistet.

-         Wer sozial kompetent ist wird, wenn er die Oberhand hat, den Gegner nicht „fertigmachen“, auch wenn die eigene Seite ein derartiges Verhalten favorisiert. Im Gegenteil wird er versuchen, einen Gesichtsverlust des in der Argumentation unterlegenen Gegners zu vermeiden.

Letztlich soll man daran denken, dass einem die eine oder andere Person wahrscheinlich irgendwann wieder über den Weg laufen wird und dann soll kein negatives Gefühl aufkommen. Ein Teilnehmer einer Gerichtsverhandlung hat dazu einmal geäußert, dass er vormittags seinen Gegner im Gerichtssaal besiegen möchte, aber gerne am Nachmittag mit ihm Tennis spielen würde. Derlei erforderte allseits Akteure mit einer ausgeglichenen und gelassenen Persönlichkeit. Eigenschaften, die auch jeder Sachverständige hat oder haben sollte…

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