Sonnek

B

Nicht jeder Gutachtensauftrag läuft „nach Plan“ oder in gewohnter Weise. Oft stehen der Arbeit unerwartet scheinbar unüberwindbare Hindernisse entgegen, die zuvor trotz eingehender Risikoanalyse nicht absehbar waren. Manchmal haben die entstehenden Probleme mit undurchsichtigen Sachverhalten zu tun, manchmal mit Menschen, manchmal aber auch mit Grenzen des eigenen Fachgebiets. Der Erfahrungsschatz ist auch nicht immer ergiebig genug, selbst wenn er aus einer Tätigkeit von Jahrzehnten schöpfen kann. Nun ist vor allem eine Eigenschaft gefragt: Ein gerütteltes Maß an Beharrlichkeit.

Ein Beispiel möge illustrieren, welche Rolle einer beharrlichen Vorgangsweise etwa in der Lösung kniffliger Fälle zukommen kann:

Wie kann eine riesige Wassermenge spurlos verschwinden?

In einem kleinen ebenerdigen Wohnhaus mit einer Fläche von vielleicht siebzig Quadratmetern soll die unvorstellbare Menge von etwa dreitausend Kubikmeter Wasser verschwunden sein. Die Menge war vom lokalen Wasserversorger des kleinen Ortes genannt worden, nachdem er erfahren hatte, dass es im genannten Haus über einen längeren Zeitraum zu einem größeren Wasseraustritt gekommen sein musste. Die Menge hatte man aus der Differenz zu einem in den Vorjahren ziemlich konstanten Verbrauch der gesamten Ortschaft ermittelt.

Was war geschehen? Klar war nur, dass die Mieterin knapp vor dem Winter das Haus verlassen hatte, dass dann eine Wasserleitung eingefroren und danach geplatzt sein musste und dass der Boden im ganzen Haus einige Zentimeter im Wasser gestanden war, als die Vermieterin das bis dahin verlassene Haus irgendwann im Frühjahr endlich geöffnet hatte.

Dass Wasser verloren gegangen war, war also offensichtlich. Aber dreitausend Kubikmeter? Man stelle sich diese Menge vor als einen Wasserwürfel von etwa zwanzig Meter Seitenlänge: Das gesamte Haus hätte darin bequem zweimal Platz gefunden. Ein Wasseraustritt, für den es keine Zeugen gab und der zwar Spuren hinterlassen hatte, aber keine solchen, die unmittelbare Aufschlüsse über den riesigen Umfang zugelassen hätten. Rätsel über Rätsel also und ein etwas ungeduldiger Sachverständiger hätte geneigt sein können, den Fall als unmöglich lösbar zu betrachten und unter unerledigt zu seinen Akten zu legen.

Die Lösung fand sich schließlich nach eingehender Besichtigung des Hauses, durch etwas Detektivarbeit und mit Hilfe einiger Berechnungen: Das aus der geplatzten Leitung austretende Wasser hatte sich im Erdgeschoß verteilt, war zu einem kleinen Teil vom Bodenablauf im Badezimmer erfasst worden, zu einem größeren Teil durch eine Öffnung unter der Badewanne in den darunterliegenden, einzigen Kellerraum des Hauses gelangt und in dessen Sandboden rückstandslos versickert.

Der Grund dafür, dass das Wasser nicht etwa durch die Haustüre ausgetreten war lag darin, dass der Boden des kleinen Windfangs eine Stufenhöhe über dem Niveau des Erdgeschoßes lag, die gegenüber der Haustüre wie ein Staudamm wirkte, wodurch keinerlei Wasserspur nach außen dringen konnte. Eine grobe rechnerische Abschätzung bestätigte die Zusammenhänge.

Die Lehre daraus: Durch das Zusammenwirken einiger Umstände und bestimmter örtlicher Gegebenheiten konnten in dem kleinen Haus im in Frage kommenden Zeitraum tatsächlich riesige Wassermengen versickern, ohne dass es von außem jemandem auffallen musste.

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