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Nein, natürlich nicht! Zum Glück lassen sich weder Personen noch ihre Art zu Arbeiten normieren. Sehr wohl aber ist es üblich und auch durchaus erforderlich, bestimmte standardisierte Anforderungen an Erbringer, Ausführung und Ergebnis von Dienstleistungen zu stellen. Je anspruchsvoller und verantwortungsvoller die Leistung und ihre Auswirkung und Einfluss auf Auftraggeber, desto höher müssen diese Anforderungen sein, denken wir nur an die hohe Verantwortung vieler Freiberufler. Auch für Sachverständige gelten Mindest-Anforderungen in Bezug auf Qualifikation und Tätigkeit.

Solche Anforderungen sind ja im Bereich der Gerichtssachverständigen nichts Neues, hier geht es aber um einen viel breiteren Ansatz: Anlass für meine Überlegungen ist die Tatsache, dass von Normbestrebungen ganz generell nicht nur Produkte materieller Art berührt sind, sondern auch und in steigendem Maße bestimmte Dienstleistungen grundsätzlichen Regelungen unterworfen werden. In einem größeren Wirtschaftsraum wie der Europäischen Union scheint das ja schlicht und einfach notwendig und sinnvoll. Wie sich nun abzeichnet, sind auch Sachverständige nicht ausgenommen: eine neue Norm zu ihrer Tätigkeit ist im Entstehen.

„Sachverständigenleistungen ― Allgemeine Anforderungen an Dienstleistungen im Sachverständigenwesen“ …

… lautet der Titel des mir unlängst in die Hände gekommenen Entwurfs der ÖNORM EN 16.775, die klar den Dienstleistungsaspekt der Tätigkeit herausstreicht. Das ist insofern bemerkenswert, als Dienstleistungen einigen besonderen Gesetzmäßigkeiten unterliegen, denen nach meinem Eindruck in der Sachverständigentätigkeit bisher zu wenig Beachtung geschenkt wird.

Der Normentwurf enthält neben uns längst vertrauten Postulaten in Bezug auf Verhalten und Qualifikation auch eine Reihe von konkreten Forderungen und Empfehlungen an Sachverständige, die aus dem Qualitätsmanagement kommend hier Eingang gefunden haben. Auf diese soll nachstehend eingegangen werden.

Zwischenfrage: Wer ist ein ESP?

Den Begriff kennt der aufmerksame Autofahrer als “Elektronisches Stabilitätsprogramm” oder Fahrdynamikregelung, hier bedeutet er “Expertise Service Provider”. Der Terminus findet sich unter den Definitionen und bedeutet “Dienstleister im Sachverständigenwesen”, der wiederum definiert wird als “Sachverständiger oder Gruppe von Sachverständigen, der/die aufgrund entsprechender Kenntnisse und Qualifikationen spezialisierte Dienstleistungen für Auftraggeber erbringt.” Soweit erst einmal nichts Neues. Aber jetzt kommts.

Prozess zur Leistungserbringung

Während alte QM-Hasen hier “Zu Hause” sind, tut sich für alle jene, die sich noch nicht mit Qualitätsmanagement beschäftigt haben, Neuland auf. Der Normentwurf gibt formale und inhaltliche Empfehlungen, wie der Ablauf der Tätigkeit eines Sachverständigen gestaltet werden soll. Damit wird ein Standard gesetzt, an dem künftighin niemand vorbeigehen kann, dem einerseits gleichbleibend hochwertige Arbeit ein echtes Anliegen ist im Sinne der Zufriedenheit seiner Auftraggeber und der andererseits jegliches unnötige Risiko in seiner Tätigkeit vermeiden möchte.

Die wesentlichen Elemente des Prozesses sind:

Beurteilung der Anfrage des Auftraggebers: Der Sachverständige hat sich zu vergewissern, ob er den Auftrag richtig verstanden hat und sich und seine Fähigkeiten dahingehend zu überprüfen, ob er fachlich, zeitlich und kapazitiv in der Lage ist, den Auftrag auszuführen. Zudem muss er sichergehen, dass der Auftrag nicht gesetzlichen und sonstigen regulativen Bestimmungen widerspricht.

Prüfung des Risikos: Jeder Sachverständige hierzulande muss eine Versicherung vorweisen können.  Dennoch hat er genau zu prüfen, ob und welche Unwägbarkeiten in einem konkreten Fall vorliegen können.

Auftragsvereinbarung: Hierin sind Art  und Umfang des Auftrages, Zeitraum der Leistungserbringung und Kosten festzulegen. Ebenso sind die Geschäftsbedingungen festzulegen sowie Einschränkungen jeglicher Art.

Leistung des Sachverständigen: Der Normentwurf kann in diesem Punkt so verstanden werden, dass der Sachverständige systematisch und nach festgelegten Standards vorgeht, wie dies auch in einem Qualitäts-Managementsystem üblich ist. Ziel ist, den Kundenwunsch möglichst exakt zu erfüllen.

Dokumentation: Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und der Nachprüfbarkeit sollte eine vollständige Dokumentation der Tätigkeiten vorliegen, auch die Archivierung muss geregelt sein.

Fazit

Die Einforderung von normierten Qualitätskriterien in die Sachverständigentätigkeit ist sehr zu begrüßen, lässt sie doch erwarten, dass sie die Arbeit des Sachverständigen besser und sicherer machen wird. Zudem kann sie helfen, die Arbeit zu beschleunigen, für den Sachverständigen Kosten zu senken und für den Auftraggeber den Nutzen zu erhöhen.

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