Sonnek

Fragezeichen

„Machen Sie mir bitte ein Gutachten über meine Heizung und die Solaranlage, das alles zusammen funktioniert nämlich nicht. Was würde das kosten?“ Solche oder ähnliche Anfragen werden recht häufig gestellt. Das weist auf ein Bild des Sachverständigen hin, das von der Realität abweicht. Der ist nämlich weder Hellseher, der eine Anlage gleichsam auf Knopfdruck mit Radarblick scannt und in schneller Folge die Schwachstellen mit Piepton meldet. Er ist auch kein Arzt oder Apotheker, der sofort die richtigen Medikamente zur Hand hat. Er braucht zu Beginn erst einmal Fragen.

Aber nicht Fragen nach den Kosten, sondern die Fragen, die im Gutachten beantwortet werden sollen. Das Thema „Fragen im Gutachtensauftrag“ ist schon in der zweiten Folge der Serie „Gutachten verfassen …“ behandelt worden, aber im Zusammenhang mit dem Gutachtensteil sind noch einige Aspekte im Hinblick auf Fragen von Bedeutung und sollen hier besprochen werden.

Für den Auftrag gilt: Ohne Fragen kein Gutachten!

Sinn und Zweck eines Gutachtens ist die Beantwortung von möglichst klaren Fragen des Auftraggebers. Je spezifischer die Fragen, desto detaillierter wird die Antwort sein. Es genügt nicht, auf einen Sachverhalt oder eine Heizungsanlage hinzuzeigen und quasi zu verlangen: “Mach mal schön!“ Für private Auftraggeber oder solche aus der Wirtschaft ist das nicht immer klar.

Daher ist es sehr oft Aufgabe des Sachverständigen, den Auftraggeber mehr oder weniger sanft auf die Vorgabe von Fragen zu drängen. Und wenn das nichts fruchtet, muss er selber die Fragen formulieren und sie mit dem Auftraggeber abstimmen. Auftraggeber neigen sehr oft dazu, das Ergebnis vorgeben zu wollen (z. B.: „Ich will nachgewiesen haben, dass die Anlage wegen der falschen Umwälzpumpe nicht funktioniert.“), anstatt die richtige Frage zu stellen (z. B.: „Ist die eingebaute Pumpe für den Anwendungsfall geeignet?“)

Natürlich wird jeder Sachverständige den Sachverhalt aus seiner Sicht sehen. Daher werden zwei Sachverständige auf denselben Sachverhalt unterschiedlich zugehen und die Fragen anders stellen. Andere Fragen liefern im Regelfall andere Antworten. Wenn also zwei Sachverständige in einer Sache zu unterschiedlichen Schlüssen kommen, ist zuerst zu prüfen, ob sie auch dieselben Fragen gestellt bekommen haben.

Für besseres Verständnis gilt: Fragen im Gutachten können hilfreich sein

Wer kennt nicht die rhetorische Frage eines Redners oder Vortragenden: „Was lernen wir daraus?“ und die Kunstpause, die darauf folgt, bevor er die Frage selbst beantwortet. Derselbe hilfreiche Trick kann auch in einem Befund oder Gutachten funktionieren und es leichter und spannender lesbar machen. Anstatt über längere Strecken eher trockene Fakten abzuspulen, ist es hilfreich, statt dessen den Textfluss zu unterbrechen und vor einer Darstellung eine Frage einzufügen, beispielsweise:

-          Was bedeutet das Ergebnis der zuvor durchgeführten Berechnung?

-          Was geschieht in so einem Fall ganz praktisch?

-          Gibt es Beispiele dafür aus ähnlich gelagerten Fällen?

-          Warum ändert sich der Druckverlust in den Aufzeichnungen plötzlich?

-          Welche Einflüsse sind für den Anlagenbetrieb noch von Bedeutung?

-          Wie ist das allmähliche Versagen der Rohrverbindung zu erklären?

Die Methode hat nicht nur den Vorteil, dass der Text besser lesbar wird, sondern sie nimmt die Fragen vorweg, die sich der Leser sonst selbst erst stellen müsste. Er wird dadurch in das Geschehen gewissermaßen „hineingezogen“. Unter Umständen werden damit sogar Fragen gestellt und beantwortet, die erst später in einer Gutachtenserörterung zu beantworten wären und könnten letztere damit überflüssig machen, stellten also gewissermaßen eine „eingebaute“ Maßnahme für Zeit- und Ressourcenschonung aller Beteiligten dar.

Haben Sie Anmerkungen zum Thema? Ich freue mich über Ihre Mitteilung!

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