Sonnek

Das hat Sie wahrscheinlich noch nie jemand gefragt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden: Vielleicht besuchen Sie einmal zufällig eines der wunderschönen Mehrfamilienhäuser in einer Wohnsiedlung an der Peripherie einer Regionalmetropole. Gediegen gebaut, ruhig gelegen, Wohnungen mit schöner Aussicht und – mit warmem Trinkwasser. Aus erneuerbarer Energie, versteht sich. Die Begeisterung der mit diesem ungewöhn­lichen Komfortangebot beglückten neuen Wohnungsbesitzer hält sich allerdings in Grenzen …

Mangelhafte Wärmedämmung an Heizungsleitungen

Mangelhafte Wärmedämmung an Heizungsleitungen

In vielen eher älteren Häusern ist es ja meist umgekehrt: da dreht man das Warmwasser auf und es dauert elendslang, bis wirklich warmes Wasser kommt. Aber hier dauert es elendslang, bis kaltes Wasser kommt. Üblicher Hilferufs-Kick: Wohnungseigentümer an Wohnbauträger, Wohnbauträger an Objekt­planer, Objektplaner an Installateur, Installateur Bin-Nicht-Schuld Rückpass an den Objekt­planer, Objektplaner schaut sich um und übergibt Ball volley an Sachverständigen mit den Fragen: Was ist hier los? Wer ist verantwortlich?

Befundaufnahme

Einsatz vor Ort. Ein Teil des Objekts ist noch nicht ausgebaut. Wohnungsstationen mit Wärme­tau­schern für Warmwasser. Heizung ganzjährig in Betrieb. Einen noch offenen Schacht inspiziert. Folgende Fehler festgestellt:

a)     Steigleitungen für Heizung und Kaltwasser liegen knapp nebeneinander;

b)    Wärmedämmung („Isolierschlauch“) liegt bei Heizung und Kaltwasser lose an, Stöße sind offen, an Rohren erwärmte Luft zirkuliert ungehindert durch. Die Warmluft heizt den Schacht auf und erwärmt das Kaltwasser;

c)     Stärke der Wärmedämmung beträgt 9 mm bei einem Rohrdurchmesser von 35 mm.

Was sagen dazu die Regeln der Technik in Form der Norm?

Zu a) und b): Die ÖNORM B 2531-1 „Trinkwasser-Versorgungseinrichtungen in Grundstücken – Teil 1: Richtlinien für Planung, Bau und Betrieb“ in der Ausgabe vom 1.3.2004, fordert in Kapitel 9 „Schutz des Wassers in den Versorgungseinrichtungen“ unter Punkt 9.3 „Schutz gegen Erwärmung“:

„Kaltwasserleitungen sind in solchem Abstand von Kaminen, Warmwasser- und Heizungsanlagen zu führen, oder es ist eine Wärmedämmung derart auszuführen, dass die Temperatur des Wassers nicht merkbar beeinflusst wird.“

Die Normforderung wurde nicht beachtet.

Was sagt das Baugesetz?

Zu c): Das Steiermärkische Baugesetz hat die Inhalte der OIB-Richtlinie 6 verbindlich gemacht. Diese enthält auch Anforderungen an die Dämmstärken energietechnisch relevanter Gebäudeinstallationen.

Demnach müsste die Dämmstärke für in einem Schacht verlaufende wärmeführende Rohrleitungen mit einem Außendurchmesser von 35 mm bei den verwendeten Dämmmaterialien zumindest 13 mm betragen, wogegen tatsächlich nur solche mit einer Dämmstärke von 9 mm verwendet worden sind.

Die Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes wurden nicht beachtet.

Der Installateur wurde mit obigen Sachverhalten konfrontiert. Auch wurden ihm Aufzeichnungen über Temperaturmessungen übermittelt, die einer der von der Misere betroffenen Wohnungseigentümer erstellt hatte.

Die Reaktion des Installateurs

Der Installateur kontert mit der ÖNORM EN 806-2, Ausgabe vom 1.8.2005, die unter Kapitel 3.6 Betriebstemperatur festhält:

„30 Sekunden  nach dem vollen Öffnen einer Entnahmestelle sollte die Wassertemperatur nicht 25°C für Kaltwasserstellen übersteigen … sofern dem nicht örtliche oder nationale Regelungen entgegen­ste­hen.“

Der Installateur ignoriert damit die evident strengeren Forderungen der „nationalen Regelung“ ÖNORM B 2531-1 („… dass die Temperatur nicht merkbar beeinflusst wird…“) und rechnet vor, dass gemäß den Messungen des Wohnungseigentümers nach 30 Sekunden nur 3 Liter Wasser abgelassen werden mussten und die Temperatur danach genau 25°C betragen hat, womit alle Forderungen der Euro-Norm erfüllt seien. Punktum aus. Und im Übrigen tue man ohnehin alles, die Kundenzufriedenheit sicherzustellen usw., usw.

Fazit: Das einzige, was der Kundenzufriedenheit im Weg steht, ist der Kunde selber

Ein seriöses Unternehmen wird nicht über Kundenzufriedenheit reden, sondern dafür etwas tun, was zugegebenermaßen nicht immer leicht ist, besonders dann, wenn Kunden übertrieben anspruchsvoll sind oder gar ins Schikanöse tendieren. Letzteres ist hier bestimmt nicht der Fall. Also: Will man dem Kunden bedeuten, dass eh alles bes­tens ist, weil es eine Norm so sagt? Und dass das Problem beim Kunden selber liegt?

Satirischer Nachsatz

Für den Installateur ist die Situation also technisch gesehen ganz normal (=der Norm entsprechend)  und damit in bester Ordnung. Möglicherweise lehnt er sich gerade in seinem Bürosessel zurück, zufrieden und voll Glück, und ruft ins Sekretariat: „Ein Glas normales Wasser, also schön warm, bitte!“

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