Dieser zweite Teil der Betrachtungen über unterschiedliche Lebenswelten in England im Vergleich zu denen in Österreich dreht sich hauptsächlich ums Wohnen. Glücklich, wer sein Logis im Ausland nicht auf Hotels oder Pensionen beschränkt! Der Besuch oder Aufenthalt in Wohnhäusern oder Wohnungen von Einheimischen gewährt dem Gast Einblick in jenes Umfeld, in dem sich ein wesentlicher Teil des Charakters eines Landes und vor allem seiner Menschen offenbart. Was also fällt einem Österreicher auf, wenn er in ein englisches Haus eingeladen wird oder in einem solchen Domizil einige Zeit wohnt?
Vorab ist es wichtig, sich ein richtiges Bild von den geografischen und klimatischen Unterschieden zwischen unserem Binnenland und den britischen Inseln zu machen: London etwa liegt zwar deutlich weiter nördlich als Wien, aber immer noch südlicher als Berlin und etwa auf der Höhe des Ruhrgebiets. Das Klima in England ist vom Meer bestimmt, der Golfstrom führt dazu, dass im Winter Temperaturen unter Null Grad selten sind und Schnee, sofern er überhaupt fällt, hält sich höchstens ein paar Tage. Die Sommer sind kühler als bei uns. Das Klima hierzulande hat wärmere Sommer und kältere Winter mit häufigen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.
Auswirkungen des milderen Klimas
Der Grund, warum hier das britische Klima in den Blickpunkt gerückt wird, liegt darin, dass es Auswirkungen auf die Bautechnik hat: Britische Häuser sind geringeren Temperaturschwankungen ausgesetzt, was meines Wissens zur Folge hat, dass Wärmedämmungen und doppelt verglaste Fenster erst in den letzten zwei, drei Jahrzehnten ein Thema geworden sind. Energieeinsparungen sind daher eher nicht ein so großes Thema. Die ersten Energieausweise etwa, die mir von Häusern in England in die Hände gekommen sind, waren wesentlich einfacher gestaltet als die bei uns und hatten grob gesagt eher einen wirtschaftlichen Ansatz und nicht den energiebedarfsbezogenen wie bei uns.
Mehr Einfachheit
Schluss der Vorbemerkungen! Subjektiver erster Eindruck eines Besuchers: In England ist in Bezug auf Einfamilienhäuser von der Gestaltung und Beschaffenheit alles etwas kleiner, zierlicher, irgendwie einfacher als bei uns. Das fängt schon damit an, dass man mit Eintritt durch die Haustüre bei vielen Häusern bereits im Wohnzimmer steht, es also keinen Windfang und keine Diele gibt. Neuere Häuser weisen einen solchen auf, gute Bekannte haben nachträglich in ihr altes, aber gut erhaltenes und gepflegtes Wohnhaus (Baujahr 1928) nachträglich einen solchen einbauen lassen.
Organisation des Wohnraums
Im Erdgeschoß eines Reihenhauses etwa liegen das kombinierte Wohn- und Esszimmer und die Küche, unter der Stiege in das Obergeschoß ist recht viel Stauraum vorhanden. Aus der Küche gelangt man in einen meist sehr kleinen Garten. Eigene Abstellplätze für einen PKW sind selten. Die bereits erwähnte Stiege ins Obergeschoß ist für unsere Begriffe eher schmal und steil und erinnert eher an eine Hühnerleiter. Oben gibt es einen kleinen Erschließungsgang in die einzelnen Zimmer. Ungewohnt für uns ist, dass man das einzige WC im Haus im Badezimmer im Obergeschoß findet. Die Zimmer sind für unsere Begriffe recht klein gehalten, aber man gewöhnt sich daran.
Fragilere Bautischlerei?
Auch wenn man kein Bautechniker oder Bautischler ist, fällt auf, dass aus österreichischer Sicht zum Beispiel Fensterrahmen und Türen eher filigran und nicht sehr stabil erscheinen. Aber auch in gut geführten Haushalten stößt sich niemand daran, wenn hier mal eine Türe klemmt und zum Öffnen Kraft erfordert, oder wenn ein Fenster zum Öffnen nach einer besonderen Herangehensweise verlangt. Generell sind Fenster kleiner ausgeführt, was aber wegen der geringeren Größe der Wohnräume nicht negativ auffällt.
Installationen etwas anders
Die Sanitärinstallationen gleichen weitgehend denen bei uns, mit einer großen Ausnahme: Abwasserleitungen liegen meist hofseitig und im Freien, das ist wegen des milden Klimas möglich, ein Einfrieren ist praktisch ausgeschlossen. Lustig: Durch die freiliegende Rohrführung ist die Situierung Art der angeschlossenen Sanitärgegenstände mit einem Blick auf die Hauswand rasch erfassbar. Ein Vorteil dieser schlichten Entsorgungsmethode liegt darin, dass größere Schächte im Haus überflüssig werden, was wiederum Platz spart.
Heizung und Warmwasser
Die Wärmeerzeugung für Heizung und Warmwasserbereitung erfolgt üblicherweise durch einen erdgasbefeuerten Wandheizkessel, der meist in der Küche seinen Platz hat. Heizkörper sind wegen des Klimas und der Raumgröße deutlich kleiner als bei uns ausgeführt. Aufgefallen ist mir auch, dass die Raumtemperaturen in Spätherbst und Winter meist aus Sparsamkeitsgründen fühlbar niedrig gehalten werden. Man holt sich dann notfalls einen dickeren Pullover. Manche Häuser weisen im Wohn- und Esszimmer einen offenen Kamin auf, der aber wohl mehr der Dekoration zu dienen scheint als praktischen Zwecken …
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