(IRS) – Aus Jahrzehnten Erfahrung im Ingenieurbüro kennt man die Eigenheiten von Projekten für Haus- und Energietechnik. Eine davon ist die weitgehend einheitliche Struktur, in der diese ablaufen. Sie ist im Wesentlichen bestimmt durch definierte Leistungsphasen wie Vorentwurf, Entwurf, Detailplanung, Erstellung der Leistungsverzeichnisse, Vergabe, Bauaufsicht, Abrechnung, Ab- und Übernahmen. Auch Angebot und Abrechnung der Leistungen des Ingenieurbüros richten sich nach diesen Einheiten. Abrechnungen nach Stundenaufwand unter Ansatz von Stundentarifen – und um die geht es hier – sind Ausnahmen.
Stundensätze für interne Zwecke
Stundensätze benötigt und kalkuliert das Ingenieurbüro für interne Zwecke. Errechnet werden diese vereinfacht gesagt aus den Kosten für Löhne oder Gehälter unter Berücksichtigung der tatsächlichen produktiven Verfügbarkeit des Mitarbeiters, der Gemeinkosten und eines Gewinnzuschlages. Die Herleitung dieser Stundensätze – die auch für den mitarbeitenden Inhaber des Büros zu ermitteln sind – bleibt im Regelfall interne Angelegenheit des Ingenieurbüros, tritt also nach außen nicht in Erscheinung. Ausgenommen ist der Fall, dass der Auftraggeber ausdrücklich deren Offenlegung verlangt, was bei Projekten, die aus öffentlichen Geldern finanziert werden, der Fall sein kann.
Kalkulation einer Leistung nach „Bottom-Up“
Ist nun ein bestimmtes Projekt zu einem Bauvorhaben anzubieten, könnte das Büro den gewünschten Angebotspreis auf Grundlage seiner internen Stundensätze und der geschätzten Zeitaufwendungen für die einzelnen Leistungsphasen ermitteln. Zu berücksichtigen wären Größenordnung, Bearbeitungsumfang und Schwierigkeitsgrad des Projekts, sowie die sonstigen Anforderungen der Projektbetreiber und potenziellen Auftraggeber. Für ein gut organisiertes Ingenieurbüro wäre diese Herangehensweise nach der „Bottom-Up-Methode“ kein Problem. – Allerdings läuft es in der Praxis nicht auf diese Art!
Die Rolle standardisierter Leistungs- und Verdingungsmodelle
Denn in eben dieser realen Praxiswelt des Projektgeschäfts herrscht eher die „Top-Down-Methode“, in der Stundensätze zunächst nicht vorrangig von Bedeutung sind. Was ist damit gemeint? Nun, im Planungswesen für das Baufach und alle damit verbundenen Gewerke existieren Leistungs- und Verdingungsmodelle, die auf langjährigen Erfahrungen beruhen. Darin sind für die einzelnen Leistungsphasen detaillierte Leistungsbeschreibungen enthalten, die eine recht rasche Orientierung und Festlegung der damit verbundenen Preisbänder für Angebote erlauben. So weit, so gut! Aber damit ist die ganze Sache noch nicht erledigt!
Der „Top-Down“-Ansatz
Denn in der Praxis beginnt dann erst der Wettkampf um einen Auftrag, der meistens darin besteht, dass auf die gemäß Leistungs- und Verdingungsmodellen ermittelten Angebotspreise Nachlässe verlangt und gewährt werden. Der Billigstbieter ist zwar nicht automatisch der Bestbieter, weil für Ausschreibungen neben dem Preis sehr oft auch andere Vergabekriterien eine Rolle spielen wie etwa Erfahrung, Referenzen, Leistungskraft, Bonität etc. Aber unbestritten bleiben muss, dass für den, der einen Auftrag vergibt, der Angebotspreis wohl das wichtigste und damit entscheidende Vergabekriterium darstellt. Was uns zum eigentlichen „Top-Down“ führt.
Das Dilemma des Billigstbieters
Die Ausführungen hier sind zwar stark vereinfachend, ich denke aber, dass sie die gelebte Realität widerspiegeln. Denn was nach Auftragserteilung im siegreichen Ingenieurbüro geschieht – ja um des wirtschaftlichen Überlebens willen geschehen muss – ist nichts anderes als ein Feilschen mit sich selber. Die Kernfrage lautet: Wie schaffen wir es, mit dem uns verbliebenen Budget eine gerade noch vertretbare und annehmbare Leistung zu erbringen? Tatsache ist doch, dass ein Dilemma bleibt: Entweder man erbringt die geforderte Leistung zur Gänze und zahlt dabei drauf, oder man schludert aufs Minimum hin und riskiert Zores mit dem Auftraggeber. – Ein paar derartige Aufträge hintereinander sind ein sicherer Weg ins wirtschaftliche Out.
Der Ausweg: Eine andere Art von Kunden …
Ein schneller Ausweg aus der obigen Situation scheint nicht möglich, weil ein Ingenieurbüro, so es auf Dauer erfolgreich sein will, in den Leistungen für seine Kunden schon von vornherein eine Strategie der permanenten Wertsteigerung verfolgen muss. Das bedeutet erstens, dass ein solches Ingenieurbüro gar nie in die Situation kommen darf, sich auf Preisschlachten einlassen zu müssen, was bedeutet, dass man an „heiß begehrten“ Projekten, um die sich viele balgen, schlicht und ergreifend kein Interesse hat. Denn man bemüht sich ausschließlich um Kunden, die solide Arbeit wertschätzen und mit denen der Aufbau langfristiger Beziehungen möglich ist.
… die Wertsteigerung honorieren und Stundentarife zweitrangig behandeln
Soll die fachlich-sachliche Qualität der Arbeit auf einem hohen Wert gehalten werden, ist dies nur bei ausreichend hohen finanziellen Erträgen möglich. Des Weiteren muss diese Qualität dem Kunden gegenüber stets gehalten, nachgewiesen und von ihm auch wahrgenommen und geschätzt werden. Daraus ergibt sich ein dauerhaftes Vertrauensverhältnis, in dem Preisfragen in gutem Einvernehmen geregelt werden und die Höhe von verrechneten Stundentarifen als zweitrangig erachtet wird. Stundentarife, deren Höhe in der Folge auch für Sachverständigentätigkeit wichtig ist. Davon demnächst mehr.
(Wird fortgesetzt)
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