(IRS) Die erste der sogenannten Ölkrisen traf die Welt im Jahr 1973 völlig unvorbereitet. Diese Krise war – wenn ich mich recht erinnere – eine Folge des Jom-Kippur-Krieges zwischen Israel und arabischen Ländern. Öl schien knapp zu werden, der Ölpreis erklomm plötzlich bis dato unbekannte Höhen, auch die Treibstoff- und Heizölpreise stiegen kräftig. In Österreich hatten wir gleich darauf autofreie Sonntage zu beachten, in denen die Benützung privater Fahrzeuge verboten war. Wie ein Schock wurde den meisten Menschen die Abhängigkeit von Ölimporten aus der permanenten Krisenregion des Nahen Ostens bewusst.
Jetzt geht es uns endlich besser, da kommt diese Herausforderung …
Man muss wissen, dass in den späten Sechziger- und frühen Siebziger-Jahren die Mangelwirtschaft der Nachkriegszeit überwunden schien und es den Leuten materiell und emotional relativ gut ging: Viele Familien konnten sich ein neues Auto leisten, es wurde viel und oft großzügig gebaut. Bevorzugtes Mittel zur komfortablen Beheizung der der neuen oder renovierten Heimstatt war der Einbau einer neuen Ölfeuerung. Bis zu dieser Zeit des Ölschocks hatte man sich nicht sonderlich viel Gedanken um energiesparende Bauweisen gemacht, was allein schon wegen der bis dahin günstigen Energiekosten nicht nötig gewesen war.
Wie verbraucht man weniger Heizöl, welche Alternativen gibt es?
Sowohl Hauseigentümer als auch Politik und Wirtschaft begannen nach erheblicher Schrecksekunde mit der Suche nach Auswegen. Einerseits sollte allgemein der Öl-Konsum möglichst rasch verringert werden, andererseits stellte sich die Frage nach schnell greifbaren Energie-Alternativen. – Zurückblickend auf das eigene Unternehmen, das 1965 als Technisches Büro für Wärmetechnik, Maschinenbau und Elektrotechnik gegründet worden war, bleibt festzuhalten, dass sich die 1970 erfolgte Erweiterung des Betriebes um ein Installationsunternehmen für Heizung, Lüftung und Sanitär vom sich auftuenden Umsatz her als Glücksgriff erwies.
Die Mehrbrennstoff-Zentralheizungskessel als eine Antwort auf das teure Heizöl
Mit der Ölkrise begann die „goldene Ära“ der Doppelbrand- oder Umstellbrand-Heizkessel, kombiniert mit Warmwasserbereitung. Jeder, der Platz dafür hatte, legte Wert darauf, zwischen Betrieb mit Festbrennstoff oder Heizöl wählen und bei Bedarf umstellen zu können. Damals wurde neben Holz auch noch sehr viel mit Kohle geheizt, seltener mit Koks. Wer diese Zeit bewusst erlebt hat, wird sich noch gut an die winterlichen Rauchfahnen aus den Einfamilienhäusern erinnern … Übrigens: Neben den heute noch am Markt befindlichen Großunternehmen mischte damals auch ein Zentralheizungskessel-Hersteller aus der Steiermark ganz kräftig mit: EHK – das Kürzel stand für Eduard Hopf Knittelfeld.
Da war doch was mit Sonnenenergie …
Im Jahr 1974 nach fertigem Studium und Eintritt in das elterliche Unternehmen kam sofort die Beschäftigung mit Solarthermie auf das Programm. Der Anstoß: Etliche Jahre zuvor stand in der Bibliothek des technisch interessierten Onkels Fritz eine Time-Life-Serie über Naturwissenschaften und Technik. Darin war auch das Foto eines Hauses aus den USA zu sehen, das bereits in den späten Fünfziger-Jahren mit thermischer Solarenergie beheizt worden war. Das war schon lange her – aber wo jetzt nach Unterlagen suchen? Naheliegenderweise in der Bibliothek der damaligen Technischen Hochschule Graz! Siehe da, nach mühsamer Recherche – zu dieser Zeit über Karteien und gänzlich ohne jegliche Computerunterstützung – ließen sich einige karge Hinweise zum Aufbau von thermischen Solarkollektoren finden.
Wie baut man einen thermischen Solarkollektor?
Gut, wenn man eine Werkstatt hat! Also los: In der Glaserei eines Anverwandten fand sich eine aus einem Bauvorhaben übriggebliebene Doppelglasscheibe in der Fläche von etwa einem dreiviertel Quadratmeter. Auf die Unterseite einer Platte aus Kupferblech wurde eine Kupferrohrschlange aufgelötet, die Oberseite bekam einen Anstrich aus schwarzem Mattlack. Ein flacher Kasten aus Holz wurde mit einer Einlage aus wärmedämmendem Material ausgestattet, darauf wurde die Kupferplatte befestigt, die Rohrleitungen führten durch den Kastenboden. Dann die Glasplatte mit kleinem Abstand auf die Kupferplatte, ein einfacher Stahlrahmen rundherum, ein orangefarbener Anstrich und fertig war der erste Solarkollektor!
Das vorsichtige Herantasten an etwas Neues
Der Kollektor wurde schließlich auf ein Gestell montiert, um ihn zu Versuchszwecken später auch dem Sonnenstand nachführen zu können. Der Außenanstrich war kaum trocken, wanderte an einem strahlenden Maitag des Jahres 1975 der aufgeständerte Kollektor knapp vor Mittag ins Freie vor das Firmengebäude. Über einen Gummischlauch, wie ihn die lokalen Bauern zum Abzapfen von Apfelmost verwenden, wurde der schräg in Richtung Sonne positionierte Kollektor über das untere Rohrende vorsichtig mit Wasser befüllt. Man wollte sehen, ob das in den technischen Beschreibungen dargestellte Prinzip überhaupt funktionierte und das Wasser sich vielleicht ein bisschen erwärmen würde. Dann ging es ab in die einstündige Mittagspause – damals nahm man sich für so etwas noch ausreichend Zeit!
Die erste praktische Nutzung: Ein Glas Tee
Totale Überraschung nach der Rückkehr: Der ganze Kollektor zitterte, denn das Wasser kochte wild und aus dem oberen Rohrende trat fauchend Dampf aus! Man konnte es kaum glauben … Vorsichtig wurde das saubere und kochende Wasser in einem Trinkglas aufgefangen, ein Teebeutel kam hinein. Der ersten praktischen Nutzung des ersten oststeirischen Solarkollektors stand somit nichts mehr im Wege – jeder der Anwesenden nahm einen vorsichtigen Schluck vom ersten solarthermisch hergestellten Tee! Von der historisch bedeutsamen Szenerie wurde natürlich ein Lichtbild aufgenommen, das bei Teilnehmern späterer Vorträge für reichlich Schmunzeln sorgen sollte.
Der allmähliche Übergang in das Gewohnte
Trotz positiver Presseberichte über die mögliche praktische Nutzung von Solarthermie und der Präsentation von tadellos funktionierenden Anlagen zur Warmwasserbereitung und Schwimmbadheizung dauerte es noch etliche Jahre, bis sich die Solarthermie durchzusetzen begann. Der Impuls der ersten Anlagen und viele Vorträge an Schulen, bei Messen und anderen Anlässen führte zu vielen Selbstbauinitiativen und auch dazu, dass in den Jahren danach die Oststeiermark zu einer Pioniergegend für die Solarthermie wurde. – Heute ist die Solarthermie keine Besonderheit mehr und eher ein Randthema, der Brennpunkt der Nutzung von Solarenergie liegt mittlerweile eindeutig in der Gewinnung von elektrischem Strom.
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